Uzbekistan 19. Mai - 9. Juni 2004

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Da stehen wir nun am uzbekischen Zoll mit russischen Formularen gleich einem Buch mit sieben Siegeln in den Haenden. Freundliche Gesten und ein englischsprachiges Muster schaffen Abhilfe. Wir komplettieren nur die Frontseite und erwaehnen die unserer Ansicht nach noetigen Devisen. Die absichtlichen Abkuerzungen sFr. und TC für Traveller Checks sagen dem netten Beamten gar nichts, aber er ist erleichtert und freut sich, als er noch eine Anzahl Dollars auf dem Zettel erkennt. Die Grenzer habe ihre liebe Muehe mit den versenkbaren Kaestliverschluessen, beschraenken sich auf das Oeffnen des Backofens und finden gluecklich in der Sitzkiste ueberpruefbare Literatur. Fredy meckert, weil ich die Coop-Zeitungen immer noch nicht gelesen habe, da darin sich doch mehr oder minder nackte Frauen zeigen. Aber schliesslich zieht das Titelblatt seines "Facts" mit dem grossen Bin Laden Portrait auch einige Aufmerksamkeit des Zoellners auf sich!
Entgegen Berichten frueherer Travellers haben für uns die Ueberpruefungen an den Strassenkontrollen nun nach Turkmenistan ein Ende. Ein einziges Mal noch zeigen wir, eifrig und neu im Land, unsere Paesse. Je nach Situation halten wir seither nur noch für einen kurzen "Schwatz", der sich aber immer auf Hallo, "russky njet", "Svecaria" "spacibo" fuer Danke und "Bye-bye" beschraenkt, oder rollen bei einem gnaedigen Nicken des mit der mit kleinerem Risiko verbundenen Ueberpruefung eines Einheimischen beschaeftigten Polizisten langsam durch die Sperre. Den Schwarzmarkt für Devisen haben wir Deppen auch nicht finden koennen. Als wir direkt an der Grenze für einmal noch 50.- US $ wegen der Deklaration offiziell wechseln wollten, konnte uns keiner eine Bestaetigung dafür ausstellen. Eher wollte man das Geschaeft rueckgaengig machen. Vielfach, z.B. beim Tanken oder für Eintritte zu Museen oder Sehenswuerdigkeiten bezahlen wir direkt mit $-Noten.(umgerechnet wird 1 $ zu 1'000.- Sum), in den Wechselstuben wie auf den Strassen an all den groesseren Touristenpunkten erhaelt man max. 1015.-.
Unser erstes Ziel in Uzbekistan ist die alte Oase Bukhara, ein frueher wichtiger Handelsumschlagplatz und legendenumwobenes Zentrum. Heute ist die Stadt mit etwa 255'000 Einwohnern von Baumwollfeldern und Obstplantagen und einer Ringstrasse umgeben, deren Zufahrten ins Zentrum jedoch aus unerfindlichen Gruenden immer wieder stueckweise von Sperren unterbrochen sind. So muessen wir das erste Mal muehsam unsern Weg erkunden, bis wir herausfinden, dass es von unserem Standplatz aus zu Fuss einfacher und nur gut 500 m weit ist. Mit Elan machen wir uns am Donnerstag, 20. Mai, ans Besuchen der vielen schoenen Altertuemer:

- Char Minar (=4 Minarette in Tajik) mit seinen vier kleinen tuerkis gekachelten Minaretten erbaut 1807
- die Medressa Nadir Divanbegi mit seinen Pfaus im Mosaik oberhalb des Eingangstors
- das Denkmal des "weisen" Narren Hoja Nasruddin aus lokalen Erzaehlungen
- die Bazare Taqi-Telpak, Taqi Sarrafon - man kennt hier keine falschen Hemmungen, die Souvenirlaeden sind gerade in den integrierten Moscheen oder Medressas eingerichtet
- Taqi Zargaron - ich werde zum Brettspiel eingeladen und zum Gaudi aller Umstehenden gewann ich dank der Hilfe von einem Jungen, Said, sogar die Partie
- der Ark, die alte Festung aus dem 1. Jahrtausend n.Chr., mit all seinen Winkeln und Ausstellungsraeumen plus inoffizieller Aussichtsplattform ennet dem restaurierten Teil mit Blick über die Stadt
- das Samani Mausoleum aus dem Jahre 905 mit alter Stadtmauer dahinter- aber nur von aussen, da es uns mehr zum danebenliegenden Markt zog
- die Medresa (= islamische Religionsschule) Mir-i-Arab
- die Kalon Moschee inkl. Besteigen über 125 Treppenstufen fast im Dunkeln des 47 m hohen Kalon Minaretts mit herrlicher Aussicht als Belohnung. Ab diesem Minarett wurde frueher die Todesstrafe durch Herunterstossen vollzogen.
- und zum Abschluss der Labi-Hauz. Aus diesem nur von einem offenen Hauptkanal gespiesenen Wasserbecken wurden einst die Einwohner der engen Altstadt durch Wassertraeger mit Wasser (und vielfach auch Krankheiten) versorgt. Ueberall am spaeten Nachmittag sitzen im Schatten unter den Baeumen Gruppen von alten Maenner auf den Karavot zusammen und machen entweder Karten-, Schach- oder Brettspiele. Wir belohnen uns zum Abschluss der Runde in einer der offenen Teestuben, Choixona genannt und von Einheimischen wie auch Touristen gleichermassen besucht, mit Shazhlik und Brot, kalten Getraenken und gruenem Tee fuer 3'800.- Sum (nicht ganz sFr. 5.-) für beide!
Route 380 fuehrt uns ueber Gazli. Unsere Super-Strassenkarte ist, wenn wir die Hauptrouten verlassen, wegen des grossen Masstabes und ihres Alters vielfach keine grosse Hilfe. So auch in der Umgebung von Khiva, wo inzwischen neue Strassen, Eisenbahn-Linien, Bewaesserungs-Kanaele, aber zum Glueck auch Bruecken darueber gebaut wurden. Da muessen wir uns immer wieder von den Einheimischen die richtige Abzweigung zeigen lassen. Khiva liegt zwischen der im Norden liegenden roten Kizilkum- und der im Sueden liegenden schwarzen Karakum-Wueste und verdankt ihre Existenz dem Vegetations-ermoeglichenden Fluss Amu Darja. Die Innenstadt erhielt ihre charakteristische Anlage erst etwa vor 200 Jahren. Heute wirkt die Altstadt fast wie ein belebtes Freiluft-Museum, denn über 80 % der Einwohner leben ausserhalb davon in der Neustadt. Auch in der Ichon Qala hier gibt es wieder "Arbeit", allerdings auf kleinstem Raum:

- Kukhna Ark, frueher Wohnsitz der Chans von Khiva, mit einem herrlich verzierten Thronsaal und einem Pavillon, von dem man mit herrlichem Lueftchen die Anlage und Stadt ueberblicken kann
- daneben die Medresa Muhammad Amin Chan mit dem auffaelligen, ganz gekachelten, aber nur 26 m hohen Minarett Kalta Minor
- das Mausoleum von Pahlavon Maxmud, einem beruehmtem Dichter, Ringer und Krieger, der als geistiger Fuehrer und Lehrmeister von Khiva galt
- die Islom-Xo'ja Medresa und die Bagbany Moschee, dessen 45 m hohes Minarett wir über hohe, unregelmässige Stufen einer Wendeltreppe erklimmen
- die Juma Moschee, beruehmt wegen seiner 218 geschnitzten Holzsaeulen, die das Dach tragen
und unzaehlige andere Medresas und Moscheen.
Parallel der turkenischen Grenze setzen wir unsern Weg fort. Nach Gurlan verlassen wir den Bezirk Khorezm und kommen in die flächengroesste Provinz Uzbekistans, Karakalpakstan. Hier ist es geradezu ein Problem, einen Uebernachtungsplatz zu finden, der nicht mit Baumwolle bepflanzt, von Kanaelen von der Strasse abgetrennt oder bewohnt ist. Mit der Ueberquerung des Amu Dajar nach Manghit auf einer wackligen Ponton-Bruecke, an der ein Schweisser zwischen den Autos staendig mit Reparaturen beschäftigt ist, endet die Landwirtschaftszone und die endlose Steppe hat uns wieder.
Der Provinz-Hauptort Nukus ist eine traurige vergessene Stadt. Sie leidet wie die ganze Region am Aral-See-Disaster, der Entwaesserung des einst riesigen Sees, die Vertrocknung der frueher bewaesserten Felder in der Umgebung, wovon noch die vielen versalzten Flaechen zeugen. In der Sovjetzeit wurde hier eine Versuchsstation betrieben, die illegal an biologischen und chemischen Waffen proebelte. 1992 wurde sie aufgegeben und mit der Hilfe der USA deren giftige Hinterlassenschaft beseitigt. Der "lonely planet" Reisefuehrer spricht von Chemikalien-Verseuchung von Wasser, Erde und Nahrung. Angeblich sollen die Raten an Geburts-Abnormitaeten, Kindersterblichkeit, Krankheiten wie Krebs, Stoerungen des Immunsystem, aber auch Typhus und Hepatitis sehr hoch sein.
Beim Verlassen der staubigen Stadt erwischen wir nicht den schlausten Einheimischen - seine Richtungsanzeige fuehrt uns in eine Sackgasse nach Aqmanghit, weshalb wir nach Nukus zurueckkrebsen und nach dem Mittagsessen am Ufer des schmutzigbraunen Amu-Dajar einen neuen Anlauf nehmen muessen. Ueber trockenes Land, vor Qonghirat parallel zur Eisenbahnlinie, und nachher einem ausgetrockneten Kanal entlang naehern wir uns Moynaq.

Mit eigenen Augen sehen wir einen Teil der Auswirkungen der Aral-See Katastrophe. Schon um 1960 wurden mit dem Wasser seiner Zufluesse Amu-Darya und Syr-Darya von ca. 55 km3 per Jahr eine Flaeche von etwa 50'000 km2, hauptsaechlich für den Baumwoll-Anbau, kuenstlich bewaessert. Allein der Karakum-Kanal vom Amu-Darya, der weit ins suedliche Turkmenistan fuehrt, zieht 14 km3 Wasser ab. Der See ueberstand dieses Entnahme-Quantum noch ohne zu schrumpfen. Um die UdSSR-Textilindustrie zu foerdern, sahen die Planer eine Erhoehung der Baumwoll-Produktion in Usbekistan, Turkmenistan und Kazakstan vor. Zwischen 1960 und 1980 wurden nur etwas 20% zusaetzliches Land bewaessert, die Wasserentnahme aus dem Aral-See verdoppelte sich aber wegen der undichten Kanaele, der Verdunstung und des schlechten Humus von jaehrlich 45 auf 90 km3. Der Zufluss aber hatte sich inzwischen auf 1/10 der urspruenglichen Menge verringert, da das Wasser weit vor dem Aral-See schon zur Bewaesserung entzogen wird oder versickert.

Zwischen 1960 und 1996 sank der Wasserspiegel von 53,4 auf 36,9 m, das Volumen verkleinerte sich um 75 % und die Oberflaeche um die Haelfte. Die oestlichen und suedlichen Ufer verlagerten sich um bis zu 80 m. 1987 teilte sich der See in einen kleinen noerdlichen und einen groesseren suedlichen Teil. 1992 wurde der verbindende Kanal blockiert, wodurch der Wasserspiegel des noerdlichen Sees um 3 m stieg und man seither Hoffnung hat, dass etwa im Jahre 2025 sich Zu- und Abfluss bei einer Oberflaeche von 3'500 km2 einpendeln. Der suedliche Seeteil wird sich voraussichtlich in 2005 in eine westliche (die komplett verschwinden wird) und eine oestlichen Haelfte, die sich mit viel Glueck bei 7'000 km2 stabilisieren kann erneut aufteilen.

Unser Ziel vom Mittwoch, dem 26. Mai, der einst bluehende Erholungs-Ort Moynaq, ist heute eine Geisterstadt. Verschwunden ist die Fischindustrie, den inzwischen liegt das Seeufer ueber 40 km entfernt und die Bemuehungen, einen Kanal zum Wasser offen zu halten, mussten anfangs der 80iger Jahre eingestellt werden. Wir fahren ungehindert ueber den einstigen Seeboden zu den vielen rostigen Schiffswracks, letzte bizarre Zeugen des vormals wichtigsten Erwerbszweiges der Region. Nur ab und zu liegt noch etwas Wasser in ehemaligen Kanaelen.
Auch das Klima hat sich in dieser Region drastisch verschlechtert: trockenere Luft, heissere Sommer, kaeltere Winter. Salz und Staub, angereichert noch mit Chemikalien-Resten ab den baren Feldflaechen werden Hunderte von Kilometern weit von den vielen Sandstuermen uebers Land getragen. Die Ernten nehmen heutzutage ab, da die Erdoberflaeche dadurch, aber auch durch die stete Bewaesserung (zusaetzlich durchsetzt mit Rueckstaenden von in den Feldern verwendeten Pestiziden, Duengern, vormals gebrauchten giftigen Plastik-Abdeckfolien) versalzt und belastet ist.
Wir wollen nicht die gleiche Strecke zurueckfahren und biegen oestlich ab. Shege und Parlitav erreichen wir plangemaess. Ein Einheimischer, den wir ein Stueck weit mitnehmen, zeigt uns danach eine Moeglichkeit zur Flussueberquerung durch ein trockenes, versandetes Bett, dass der Sahara alle Ehre machen wuerde - die Bruecke ist laengst in Einzelteile zerfallen. Ein zweites Mal haben wir nicht mehr soviel Glueck. Wir stehen Kilometer spaeter am Wasser und koennen erneut Armiereisen und Betonteile einer frueheren Bruecke bestaunen. Da wir sowieso schon laengst nicht mehr auf Teer sondern auf staubigen Strassen navigieren, trotz GPS, aber mit ungenauer Karte gar nicht mehr genau wissen, an welchem Kanal wir uns befinden, brechen wir das Abenteuer ab und kehren ueber die Hauptverbindung via Qonghirat nach Nukus zurueck.

In Anbetracht der langen Etappe starten wir am Donnerstag relativ frueh um 08.ooh. Nach Khalqabad heisst es nur noch Kizilqum-Wueste, d.h. ab und zu eine Schildkroete oder Schlange auf der Strasse, Eidechsen, die darueber um ihr Leben laufen, Sonne und dann Schlagloecher, kilometerweise mehr als eigentliche Strasse. Fuer 50 km brauchen wir ueber 2 Stunden. Dann folgt, da wo man zur unteren Verbindung abzweigen koennte, eine etwas bessere Etappe, aber wir Optimisten werden bald wieder enttaeuscht. Die nur so aufs Land "gegossene" Strasse wird im Fruehling stark von den Regenfaellen beeintraechtigt. Jetzt ist sie zwar trocken, aber streckenweise kommt der Camper nicht aus dem Wippen heraus. Krampfhaft sucht man den tiefsten Schlagloechern auszuweichen, faehrt Slalom, um dann in eine unterschaetzte, noch tiefere Bodenwelle oder ueber abgebrochenen oder aufgeworfenen Belag zu rumpeln. Bis auf ein paar wenige Yurten mit Ziegen und Schafen darum herum und eine Handvoll Autos unterwegs sind wir alleine auf der über 355 km langen Strecke.
Uchquduq steht mit seinen grossen Wohnbloecken und den vielen Abraum-Halden von den Bergwerken im Nichts. Die Strasse bessert sich von da an schlagartig und bis Zerafshan fliegen wir nur so ueber den Asphalt. Wir tanken da, werden aber einmal mehr beschissen. Die Zapfsaeulen haben keine Anzeige. Der Tankwart stellt in seinem Kabaeuschen die bezahlten Liter, die dann eben nie dem Geldbetrag entsprechen, ein und der Treibstoff fliesst auf einmal ohne Stoppen und somit ausser Kontrolle durch den Schlauch in den Tank (oder auch mal daneben).
Wir uebernachten hier auf der halben Strecke nach Navai im Busch und haben feine, fast zarte Rindssteaks, die wir auf dem Markt von Zerafshan aufgegabelt haben, intus. Einzige Gesellschaft sind flinke Maeuse, die zwischen ihren Hoehlen, moeglichst im Schutze von Straeuchern wegen der Raubvoegel, umherhuschen. Mich aergert, dass wegen der schlechten Karte wir in nur relativ kleiner Entfernung unbemerkt beim Goldbergwerk von Muntenau, das als der groesste Tagabbau von Gold in der Welt gilt, vorbeigefahren sind.
Die Gegend wird immer gruener. Die Kornfelder um Navai und Kattaqorghan sind bereits gelb. Zur Mittagszeit erreichen wir die ersten Haeuser des gut 400'000 Einwohner zaehlenden , 2700 Jahre alten Orts Samarkand. Fredy braucht für die Stadteinfahrt ein sauberes Auto. Zwei junge Burschen machen sich mit einem Kaercher-HD-Geraet erstaunlich gruendlich fuer 5.- $ ueber den Camper her, waehrend wir gemuetlich den offerierten Tee trinken. Mit einem Zettel von einer freundlichen Hotelangestellten und langem Durchfragen finden wir schliesslich auch eine Reparatur-Werkstaette, die den seit Mashhad defekten Auspuff schweissen kann. Das Tor ist zu wenig hoch, deshalb stehen wir auf der Strasse und haben bald eine Traube von Schaulustigen und/oder (jeweils schwer zu definieren) Angestellten der Werkstaette um uns. Oskar, der Inhaber, überlaesst es uns, den Preis für die Arbeit festzusetzen. Vermutlich faehrt er mit den offerierten 20.- $ plus 1.- $ Trinkgeld für den "Stift" besser, als wenn er die Kosten zum Ortstarif festgelegt haette.

Bazare haben wir ueberall, deshalb kaufen wir relativ bequem, inzwischen fast schon ein Luxus, in einem Supermarket der russischen Neustadt ein. Da bekommen wir auf einen Schlag Wurstiges, Kaese, Eier, Milch, Yoghurts, Brot und Kaffee. Der hoefliche Verkaeufer spricht fliessend franzoesisch und freut sich, seine Sprachkenntnisse anzuwenden. Unweit davon finden wir in einem kleinen Markt alles, was die Jahreszeit hier bietet an Fruechten: schmackhafte Aprikosen, dunkle Riesen-Kirschen, Erdbeeren. Dafür sind Aepfel nur in Groesse von PingPong-Baellen zu haben, Orangen und Zitronen ein Luxus, Bananen eher teuer. Auf die Erweiterung des Gemuese-Sortiments, den Blumenkohl, stuerzen wir uns nachgerade.
Waehrend ich die angenehmere Aufgabe habe, einmal mehr 2 1/2 Std. lang im Internet-Café Fotos aufzuladen, widmet sich Fredy dem Campers und bringt das Interieur wieder auf Hochglanz, damit ich beim Haushalten nach diesen langen staubigen Reiseetappen nicht schon vom Kaestli-Oeffnen schwarze Finger bekomme.
Zum Nachtessen kehren wir im empfohlenen "Obi Gor" gegenueber dem Registran ein. Der Geier, der das Lokal beruehmt gemacht hat, hat inzwischen das Zeitliche gesegnet. Aber andere Voegel pfeifen noch immer aus verschiedensten Kaefigen und Volieren. Vor dem Restaurant auf dem Trottoir stehen der Grill fuer die Shazlikhs, die Kochherde für die verschiedenen Spezialitaeten, der Backofen für das Fladenbrot Nan, die Teekueche und der Bierausschank. Man kann sich gerade mit Augenschein sein Menu zusammenstellen. Wir verzehren schmackhafte Dolma (Kabiswickel mit Hackfleisch gefuellt und in einer schmackhaften Gemuesesuppe gekocht), feine Manty (Teigtaschen gefuellt mit Fleisch, Gewuerzen, Gemuesen, natuerlich, hier besonders wichtig für den Geschmack, unter Verwendung von Hammelfett) in einem besonderen Kochtopf, dem Kaskan, in Dampf gegart. Fredy erhaelt vom Nachbartisch eine Kostprobe von "Brendi", nachdem er schon unverstaendlicherweise abgelehnt hatte, das einheimische Bier zu bestellen. Die Reservefaesschen lagern in einem Brunnen in der Restaurants-Mitte, in dem auch immer wieder die Humpen abgewaschen, d.h. vor dem Fuellen am Zapfhahn fuer den neuen Gast kurz geschwenkt werden.
Anders als in islamischen Laendern geht es hier am Pfingst-Sonntag, 30. Mai, ruhig zu. Nur ein paar wenige Vehikel stehen neben uns, und unsere Absicht, weniger aufzufallen als am alten Standort neben dem Samarkand Hotel (da man eigentlich im Hotel absteigen muesste), ist dahin. Polizei zu Fuss und im Auto ist hier an der Universiteti schon vorbeipatrouilliert, aber ausser einigen freundlichen Passanten, die für einen kurzen Schwatz stehen bleiben, interessiert sich niemand für uns. Herrlichen Schatten wuerden wir hier geniessen, nur bleibt heute der Himmel bedeckt und wir haben jetzt am Mittag nur gerade 24o C. Ich bin im Auto - natuerlich am Laptop, Fredy ist unter dem Auto, macht Schrauben-Tour und ueberprueft, wie es das angeschlagenen Gummilager von der rechten vorderen Aufhaengung bestellt ist. Leider hat er ein paar Augen zuwenig - Kombizange und 10er-Schraubenschluessel finden neue Besitzer.
Hier treffen wir, oder besser gesagt, werden wir von Hisrav Mahmudov getroffen, einem Studenten der nahen Universitaet. Er laedt uns zu einer tajikischen Hochzeit von seiner Schwester etwas ausserhalb der Stadt ein. Das Haus ist mit roten Fahnen markiert, aber auch ansonsten waere der Ort des Festes unverkennbar wegen der vielen Leute davor, die entweder eingeladen sind oder Waren anschleppen. Wir muessen warten, bis der Vater von einer Besorgung zurueckkommt, damit er uns gebuehrend ausserhalb des Hauses begruessen und offiziell einladen kann.
Durch ein Tor kommen wir in einen ueberraschend grossen Hof voller Tische unter Baeumen und einem extra aufgespannten Sonnendach besetzt von festlich bunt gekleidetem Volk. Die Tische sind mit Speisen und Getraenken geradezu beladen. Erst auf den zweiten Blick faellt uns auf, dass alles Frauen sind, an die 500. Der Grund ist, dass nach uzbekischer Sitte Maennlein, die anscheinend am Morgen in zwei Durchgaengen empfangen worden sind, und Weiblein getrennt feiern. Wir werden Hisrav's Mutter sowie der aelteren Schwester vorgestellt, koennen aber keine Braut entdecken. Naehere Erkundigungen erbringen, dass es sich um das Fest (toi) für den ersten Sohn, also Stammhalter, der juengeren Schwester handelt - dass jeweils vor dessen 7. Altersjahr stattfindet. Fuer solche Feste wie anlaesslich dieser althergebrachten, von der juengeren Generation nicht mehr sehr geschaetzten Sitte, wird unverhaeltnismaessig viel Geld ausgegeben oder schlimmstenfalls gar ausgeliehen und nachher lange abgestottert.
Uns scheint es ein eher steifes Fest - nur vereinzelt wird geplaudert - bei dem Alle mehr oder weniger nur auf das Essen warten. Ein Orchester ist angestellt samt Animations-Taenzerin, der, wenn man ihr auf die Tanzflaeche folgt, ein Geldschein zugesteckt wird. Neben den vielen Appetizers auf dem Tisch wie Spanisch Nuessli, Pistaches, Kichererbsen, kalte Platte mit Wurst und Kaese, verschiedene Salate, werden die Gaenge eines traditionellen Menues serviert: Lagman, eine Art dicke Nudelsuppe mit Fleischkloesschen und Gemuese, dann eine Art Dimlama oder Bosma genannt, angebratenes Fleisch im eigenen Saft gegart, Abschluss bildete Plov. Anstatt Wasser trinkt man hierzulande Chay zum Essen, bei festlichen Gelegenheit auch von den vielen farbigen und suessen Mineralwasser. Wein steht meist unberuehrt auf dem Tisch, eher wird dem Brendi oder Wodka zugesprochen.
Bewegung kommt erst in die Gesellschaft, als der Aufbruch naht. Die Frauen stroemen auf die Tanzflaeche, selbst die alten Weiber, die separat auf den traditionellen karavot auf Teppich sassen. Hisrav erklaert, ich koenne auch Fotos machen, und wirklich, die Frauen kichern und zeigen vor Freude alle ihre Goldzaehne, wenn es in der Kamera klickt und noch viel mehr, wenn sie sich nachher im Display ansehen koennen.

Montags spazieren wir in Begleitung von Hisrav und Freund Dilshot durch die Stadt und zum Registan mit den 3 Medresas (Tilla-Kari/Sher Dor/Ulugbek) sowie zum Mausoleum Guri Amir. Das Ulughbek Observatory aus 1420 sehen unsere Fremdenführer allerdings auch zum ersten Male. Die nicht sehr gut erhaltene Anlage Shar-i-Zindah mit dem Bibi-Khamyn Mausoleum und Moschee haben wir am Vortage schon besichtigt und auch einen Blick ab der vernachlaessigten Dachterrasse des Hotel Samarkand ueber die Stadt im warmen Abendlicht geworfen, so dass wir uns heute Zeit nehmen und am Schatten Tee und Glacé geniessen koennen. Einmal mehr bleibt mir die Kocherei erspart - wir haben eine weitere Einladung erhalten von einer takjikischen Familie und essen bei ihnen den bis anin besten Plov. Waehrenddessen bekommen dafuer die Blinkerglaeser und die Radioantenne vom Iveco Beine.
Wir machen einen letzten Sprung ins Internet. Zu meiner Freude waren die letzten zwei Stunden Bilder übermitteln nicht für die Katz' - dank Martin's Intervention von der Schweiz aus funktioniert die Homepage wieder. Auf dem Weg zur Hauptstadt finden wir endlich wieder einmal eine offene Wasserleitung mit einigermassen klarem Wasser, worin wir unsere Schmutzwaesche schwenken koennen. Die nassen Kleider haengen wir dann bei einem fruehen Stop abseits der Strasse zwischen den Maulbeerbaeumen bei Bakht auf. Noch sind die Bauern mit Familien an der Arbeit auf den nahen Feldern und kommen gerne vorbei, um sich unsere "maschin" anzuschauen und bedauernd zu vernehmen, dass wir Nichtraucher sind und leider keinen Wodka mit uns fuehren und ihnen offerieren koennen. Bei dieser Gelegenheit koennen wir auch gleich wie hier ueblich um Erlaubnis fragen, ob wir an dieser Stelle uebernachten duerfen - dies im ganzen etwa dreimal, da uns immer wieder ein Anderer zu verstehen gibt, dies sein Land sei.

Mittwoch, 2. Juni. Wir haben es heute nach Tashkent geschafft. Nach dem schweren Erdbeben 1966 waren ueber 300'000 Leute obdachlos geworden, und die Hauptstadt wurde nach einem General-Ueberbauungsplan im sowjetischen Stil neu erbaut. Heute zaehlt sie etwa 2,4 Mio. Einwohner, hat relativ viele Gruenanlagen, nicht sehr viel Flair, aber breite, kaum je volle Strassen fuer die vielfach schlechten Autofahrer. Nach der Unabhaengigkeit 1991 wurden die sowjetischen Strassennamen oft mehrmals umgetauft auf meist unausprechliche neue Namen oder die alten Strassenbezeichnungen um einige Blocks verschoben. Die russisch-kyrillische wich der uzbezkisch-kyrillischen, seltener auch unserer Schrift. Die Orientierung in Tashkent ist am Anfang schwierig. Die Stadtplaene sind sowieso veraltet, die Polizisten sind hoffnungslose Faelle, sie kennen nur gerade ihre paar Strassen, in denen sie rumschwatzen. Die Taxifahrer, sofern ihnen klar machen kann, was man sucht, sind auch keinen Deut besser - Stadtkenntnisse sind fuer sie gar nicht noetig, schliesslich fahren sie hauptsaechlich Kunden, die wissen, wo sie hinwollen, und nur zufaellig kein Auto besitzen. Jeden, den man um Auskunft bittet, verwendet - wenn er ueberhaupt die Frage versteht - eine andere Bezeichnung, ganz sicher aber nicht die, welche gerade in unserer Version Plan aufgefuehrt ist. Unter derart erschwerten Bedingungen und in Anbetracht des Umstandes, dass sie noch vor zwei Jahren die Adresse gewechselt hat, ist es ein Wunder, dass wir es noch vor Mittag schaffen, bei der indischen Botschaft vorzusprechen und die noetigen Visa-Auskuenfte einzuholen. Das gleiche Spielchen wiederholt sich dann anschliessend mit der CH-Vertretung.

Wir sind nicht ungluecklich, dass es in Tashkent praktisch keine Sehenswuerdigkeiten gibt. Nach dem Besuch der letzten drei historischen Staedte ist selbst mein Bedarf an geschichtstraechtigen Bauwerken gedeckt. Wir wenden uns profaneren Vergnuegen zu, doch dazu benoetigen wir erst "Kohle" sprich Sums. Doch heute Nachmittag herrscht wieder einmal Mangel daran - kurz "Sum njet". Dies ist nicht etwa nur ein Abwimmeln, um sich nicht anstrengen zu muessen. Auch Einheimische erhalten den gleichen Bescheid - unglaublich aber wahr, die Kassen sind leer und erst am spaet am Nachmittag werden wieder kiloweise Noten von der Zentralbank angeliefert. (Fuer 1 US $ erhält man 1'015.- Sum, und das ueblicherweise in Noten von 100/200, im Gluecksfall 500 Sum. Portemonnaies hierzulande muessen nicht handlich sein - fuer die anfallenden Noten-Buendel eigent sich ein waehrschafter Hosensack, eine grosse Handtasche oder gar eine Plastik-Einkaufstuete besser.)
Zum Glueck haben wir noch genug Geld, um in der hochgepriesenen Fussgaengerzone der Sayilkogh Street, die westliches Format und Angebot haben soll, aber eher einer Chilbi entspricht und nach 500 m schon zu Ende ist, etwas zu trinken. Vom 375 m hohen, dreibeinigen Fernseh-Turm am noerdlichen Ende der Amir Temir Street geniessen wir gegen ein Aufgeld inoffiziell die Aussicht von der offen, nicht gesicherten Meteo-Plattform auf 220 m Hoehe. Sonst muss man 100 m tiefer aus trueben Scheiben ueber die Stadt blicken und/oder wie wir in einem der zwei Dreh-Restaurants etwas essen.
Wir ersparen uns die verwinkelte, eher islamisch gepraegte Altstadt mit ihren nicht sehr spektakulaeren Moscheen und Medresas. Dafuer besichtigen wir einige russische Hinterlassenschaften aus der Zeit der sowjetischen Verwaltung: Den beeindruckend grossen Lenin Platz, auf dem die Militär-Paraden abgenommen wurden- heute Independence Square oder Mustaquilik maydoni, die Erinnerungsgalerie fuer die Opfer der vergangenen Kriege inmitten gepflegter Rosenbeeten, den "Palace of the Friendship of People" - ein grauer, eher haesslicher Gebaeudekomplex mit Konzerthalle. Die fuer hiesige Verhaeltnisse geradezu hektisch Art, dessen Fenster zu putzen, Boeden zu polieren und mit gewoehnlichen Buersten die Steinplatten der grossen Treppen und umgebenden Terrassen von Kalkresten und Dreck zu befreien, laesst nur den Schluss zu, dass naechstes ein grosser Anlass mit "hohen" Tieren stattfinden wird. In den Rabatten und Rundbeeten werden selbst ueber Mittag bei bruetender Hitze und seengender Sonne unentwegt frische Pflanzen gesetzt und versucht, die verrosteten oder gebrochenen Bewaesserungs-Leitungen und Sprinkler-Koepfe in Gang zu bringen. Die grossen Springbrunnen-Anlagen dahinter dienen den Kindern als Schwimmbad, auf das die riesige Statue des usbekischen Kulturhelden Alisher Navoy von seiner Anhoehe der nahen weiten Parkanlagen heruntersieht.
Am Freitag, 4. Juni hat uns die Strasse wieder. Wir durchfahren ein breites, fruchtbares Flusstal - eine Augenweide. An die haesslichen Wohnbloecke russischer Bauart wie auch wieder in Angren koennen wir uns nie gewoehnen. Dicke, halb rostige und halb mit Isolationsmaterial eingepackte Wasserleitungs-Rohre quer durch die Wohngegend und verschandeln die Landschaft noch mehr. Bei den Industrie-Anlagen koennen wir meist nicht unterscheiden, ob sie schon am Verrotten oder noch nicht fertiggebaut sind - der Unterschied ist vielfach nicht gross!
Nach der zuvor lieblichen Gegend schockt dann der grosse offene Kohlenabbau oestlich der Stadt geradezu. An anschliessenden namenlosen Stausee koennen unsere Augen mit der sich im Wasser spiegelnden Huegeln und unsere erhitzten Koerper mit Schwimmen ueber Mittag im erfrischend kuehlen Wasser von nur etwa 18o C wieder erholen - unser erstes Bad unterwegs ueberhaupt. Von inzwischen 1080 m Meereshoehe gelangen wir nun ueber eine sich im Ausbau befindliche Strasse ueber den Kamchik-Pass von 2'270 m, mit dem man den Landeszipfel von Tajikistan umfaehrt. Die stete Steigung macht sich erst durch die immer geringere Geschwindigkeit und das immer oefter notwendige Runterschalten bemerkbar. Die Lastwagen kriechen im Gegensatz zu uns nicht nur bergauf, sondern wegen des kritischen Bremsens auch wieder im Schneckentempo den Berg herunter.
Kokand ist die erste groessere Stadt im Ferganatal. Ein Tal sucht man allerdings vergebens, es ist vielmehr eine riesige Ebene. Wir halten nur kurz und sehen uns die schoen verkachelte, lange Front des Palastes des Khan's an. Der islamische Einfluss ist in diesem Landesteil staerker als im Rest des Landes. Wie ueberall bisher sind auch hier die Leute sehr freundlich.Von inzwischen 1080 m Meereshoehe gelangen wir nun ueber eine sich im Ausbau befindliche Strasse ueber den Kamchik-Pass von 2270 m, mit dem man einen Zipfel tajikistanischen Staatsgebiets umfaehrt. Die stete Steigung macht sich erst durch die immer geringere Geschwindigkeit und das immer oefter notwendige Runterschalten bemerkbar. Die Lastwagen kriechen im Gegensatz zu uns nicht nur bergauf, sondern wegen der Bremsen auch wieder den Berg herunter.
Ein Nachtlager muessen wir uns wieder lange suchen. Endlich finden wir im dicht besiedelten Gebiet vor Baghdad einen Neubau, neben dem wir uns hinter Pappeln verstecken koennen. Ich bin schon am Kochen, als wir Besuch erhalten, deshalb lehnen wir eine Einladung in die nahen Haeuser ab. Dem anschliessenden Palaver entnehmen wir dann, das der Besucher in diesem Falle bei uns essen werde, worauf ich noch mehr "Wurstl" schaele und braetle. Zur vereinbarten Zeit erscheint aber dann niemand. Es ist schon stockdunkel, und wir haben inzwischen allein mit dem Essen begonnen, als wir Stimmen hoeren und das Missverstaendnis sich aufklaert. Der Gast erscheint in Begleitung seiner Frau, die im Dunklen ueber die Felder uns frisch zubereiteten Pilav und Tomaten-/Gurken-Salat sowie Weichseln zum Nachttisch bringt! So essen wir halt ein zweites Mal! Sie ihrerseits nehmen vorsichtig ein wenig von unserem Kabissalat, Wuerstchen und Teigwaren, muessen aber bei der ungewohnten Kost fleissig spuelen. Wir widmen uns dem Pilav, alles andere waere eine Beleidigung. Blaetterliwasser sind sie, dem Ruelpsen unseres maennlichen Gastes an, auch nicht gewohnt, aber vom Apfelsaft kann er nicht genug (und hoffentlich keinen Durchfall davon) bekommen.
Morgens um 06.30h werden wir durch Klopfen am Camper geweckt. Unsere gestrigen Gaeste wollen sich unbedingt revanchieren. Gastgeber samt zwei seiner drei Soehne steht bereit, um uns abzuholen. Ennet dem Maisfeld bei seinem eingeschossigen Haus aus Lehmziegeln werden wir von seiner Frau erwartet. Auf dem Karavot liegen gepolsterte Matten zum Sitzen. Teetassen fuer den Chay (gruenen Tee) stehen bereit. Dazu gibt's frisches, noch ofenwarmes, selbstgebackenes Fladenbrot (Nan), das als Zeichen von grosszuegiger Bewirtung sofort im Uebermass zu Stuecken gerissen und auf dem niederen Tisch verteilt wird, und dicken Rahm, um es darin zu dippen. Auch Nachbarin und Kinder kommen, um guten Tag zu sagen und steuern einen Zweig voller Herzkirschen bei. Als zweiten Gang erhallten wir Ruehrei mit Zwiebeln und gruenen Kraeutern gewuerzt. Stolz erklaerten sie uns, dass alle Speisen aus eigener Produktion stammen. Vor dem Haus liegt ein grosser, von Pappeln eingerahmter Garten, in dem gerade Kartoffeln und Karotten geerntet, Tomaten neu angepflanzt werden. Eine Kuh und einige Hennen staksen auf Futtersuche in den Beeten herum.

Ebenso stolz ist die Familie auch auf eine moderne Errungenschaft, einen Schwarzweiss-Fernseher, der auf dem Fenstersims uns zu Ehren laeuft. Einrichtung sieht man fast keine im einstoeckigen Haus aus Lehmziegeln. Im Wohnraum stehen einzig ein Kuechenkasten und ein Einplatten-Rechaud neben einem niedrigen grossen Podest, auf dem im Winter geschlafen und gegessen wird. Im Sommer spielt sich das Leben draussen ab. Wichtigstes Moebel ist der Karavot am Schatten unter Baeumen, fuer den Hausherr steht daneben noch ein altes Metall-Bettgestell mit rostigen Bettfedern. Brot gebacken wird in einem selbstgebauten Lehmofen, Pilav an einer zusaetzlichen Feuerstelle gekocht. Ein alter, nicht mehr funktionstuechtiger Herd dient als Ablageflaeche und dessen Backofen als Geschirrschrank. Uns wuerden derartige Lebensumstaende deprimieren. Hier ist man mit viel weniger Materiellem zufrieden, aber die Familie hat einen grossen Stellenwert. Immer wieder erkundigt man sich, ob wir Kinder haben, und die Existenz zweier Nachkommen in der fernen Schweiz beruhigt die Frager ungemein.
Ferghana mit 220'000 Einwohnern ist eine der juengsten und wenig attraktiven Staedte des Landes. Das noerdlich davon gelegene, nur gut halb so grosse Marghilan hingegen hat eine lange Geschichte und wurde schon im 1. Jht. gegruendet. Seine Haendler-Familien spielten immer eine wichtige Rolle im zentralasiatischen Handel. In der sowjetischen Vergangenheit liefen bei ihnen die Faeden der Schwarzmarkt-Wirtschaft zusammen.
Laut Reisefuehrer soll der Sonntagsmarkt von Marghilan sehr sehenswert sein - wir glauben, interessantere gesehen zu haben. Ganz sicher aber ist er laut und vor allem eng. Da man sein Fahrrad nicht irgendwo stehen laesst sondern es mit in die Markthalle nimmt, faellt dieser zweite Umstand besonders in Gewicht. Wir entschliessen uns, mit koestlichen Fruechten und Brot aus dem Basar versorgt, suedlich der Stadt auf dem Lande einen Standplatz abseits Neugieriger zu suchen. Wir machen Dutzende von Kilometern, bis wir (nahe der kirgischen Grenze bei Quvasay) den Fuenfer und's Weggli finden: Zwischen Feldern ohne Haeuser, im Schatten von jungen Pappeln voller zwitschernder, nestender Voegel, neben einem schmalen, aber fuer ein Bad genuegend grossen Bewaesserungs-Kanal lassen wir uns nieder. Fuer einmal lasse ich den PC in der Huelle geniesse zusammen mit Fredy "dolce far niente". Aber es ist nicht mein Tag, ich verliere haushoch bei "Himmel und Hoelle" wie auch beim Backgammon.
Am spaeten Nachmittag bedeckt sich der Himmel unerwartet. Die aufziehenden dunklen Wolken versprechen nichts Gutes. Es bleibt bei einigen Blitzen, ein wenig Donnern, aber im Lauf des Abends faengt es gar an zu regnen und kuehlt, angenehm fuer's Schlafen, auf 24o C ab.

Die Seidenfabrik, die wir in Marghilan am Montag besuchen, fabriziert noch nach traditionellen Methoden und hat ca. 350 Angestellte mit einem Arbeitsklima, von dem ein schweizerischer Arbeitnehmer in Bezug auf Stress nur traeumen kann. Bei den Anwesenden hat man den Eindruck, sie verweilten nur auf einen Besuch oder zu einem Schwatz zufaellig in den Raeumen oder man unterbreche sie gerade beim Chay trinken. Weniger attraktiv dagegen sind die Arbeitsplaetze als solche. Die von Bauern angelieferten Kokons werden ausgekocht und verstroemen mit den abgestorbenen Seidenraupen im Innern einen scheusslichen Geruch, den die Arbeiterinnen beim Abspulen der Seidenfaeden samt der Hitze neben den heissen Kesseln stoisch ertragen.

Ebenso warm ist es im Faerberaum, wo erst die vorbereiteten Baumwoll-Warps in alten Badewannen eingeweicht und enthaertet, anschliessend je nach Muster in grossen Kesseln ueber offenem Feuer in der entsprechenden Farbe gekocht werden. Dieser Produktionsteil wie auch der Musterraum, in den nach jedem Faerbegang die Straenge zurueckgehen, wo sie wieder aufgespannt und die Garne neu fuer den naechsten Farbton abgebunden und mit Plastik und Garn umwunden werden, sind Maennerdomaene.
Die Webstuehle sind von Frauen besetzt, die die bunten warps aufspannen, mit einfarbigem Garn weben und dafuer nach Metrage und Webqualitaet bezahlt werden. Man findet drei Arten Gewebe: reine Baumwolle, gemischte Tuecher Baumwoll-Warp mit Seide und die schillernden "khan atlas" (= kings of satin) aus 100 % Seide. Zwischen grossen Walzen werden die im eigenen Betrieb gefertigten, aber auch von in Familien der Umgebung gewobenen Tuecher heiss gebuegelt und verfeinert. Seit kurzem werden als Diversifikation auch Seidenteppiche geknuepft, wobei immer wieder zugegeben wird, dass die beste Qualitaet aus Indien stammt (die dort von Kindern mit kleineren Fingern viel feiner geknuepft werden). Im angeschlossenen Laden weiss man vor lauter Farben kaum, welchen Stoff man bei bescheidenen Preisen von 5.-/6.- US $ pro Meter Reinseide und 10.- $ fuer eine Stola, kaufen soll.
Wie schon bei unserer vorletzten Uebernachtung noch in Marghilan so haben wir auf der Weiterfahrt vor Quva wenig Glueck. Einerseits befinden wir uns in der dichtest-besiedelten und -bebauten Gegend des Landes, so dass man staendig eine Traube von Jugendlichen am Auto und keine Minute Ruhe hat. Zum Zweiten ist die Polizei in dieser Region sehr nervoes wegen frueher Unruhen und Uebergriffen militanter islamischer Gruppen. Es laesst sich allerdings nicht immer unterscheiden, ob man uns ehrlich aufgrund ihrer Order beschuetzen oder aber der Dorf-"Sheriff" uns schikanieren und mit dem Wegweisen seine Macht zeigen will. In Andijan, dem letzten grossen Ort fuer uns in Uzbekistan, uebernachten wir deshalb im Garten einer Chaykana, wo in der bescheidenen Standgebuehr auch gerade noch bis tief in die Nacht hinein die neusten lokalen Hits, unueberhoerbar ueber riesige Lautsprecher verstroemt, inbegriffen sind. Auf unsern uzbekischen Sums bleiben wir zum Schluss sitzen - Diesel gibt es hier zur Zeit keinen zu kaufen. Zum Glueck helfen uns Mechaniker einer Traktorenfabrik freundlicherweise mit zwei Kanistern voll aus.
So rollen wir denn am Mittwoch, 9. Juni, auf Kirgistan zu. Allerdings sind wir dem Reiseprogramm etwas voraus - unser Visum fuer dieses Land ist dummerweise erst ab dem 17. gueltig. Sollen wir nun auf die altbewaehrte Methode zurueckgreifen und Fett- und Dreckflecken an den entsprechenden Stellen im Pass passieren lassen?

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