Am Sonntag, 2.5., versuchen wir hier in Teheran
Unterlagen ueber Stadt und Land zu organisieren - kein
einfaches Unternehmen mit rudimentaerem Stadtplan. Alles
unterliegt hier einem steten Wandel. Seit der Revolution
wurden die Strassen mehrmals umbenannt. Die
Strassenschilder werden zudem in Farsi oder in
verschiedenster Interpretation in unserer Schriftart
bezeichnet. Die Telefonnummern haben 2001 und 2003 erneut
geaendert, Verzeichnisse haben wir keine gefunden. Natuerlich
ist auch die gesuchte Tourist Information seit
Veroeffentlichung der Adresse x-mal umgezogen. So landen
wir denn im ersten Anlauf bei einem Cultural Center, wo
man sich ueber die Abwechslung freut. Es findet sich eine
englisch sprechende junge Lady und Tee wird serviert. Wir
haben nach unzaehligen freundlichen Einladungen gelernt,
wie man hier den Tee trinkt. Nicht unueberlegt den
Wuerfelzucker wie bei uns ins Glas geben, um dann
verlegen festzustellen, dass kein Loeffel zum Umruehren
vorhanden ist. Hier legt man das Zuckerstueck
("Wuerfel"zucker wird zum Teil von Hand im
Basar ab einem grossen Block geschlagen und zerkleinert)
auf die Zunge und laesst es beim Teetrinken im Mund
zergehen. Waehrend wir Konversation machen, wird ein
Angestellter losgeschickt und uns dann drei verschiedene
Versionen Stadtplaene kostenlos als Willkommen in Teheran
ueberreicht.
Die Auskunft am Internationalen. Flughafen weiss nicht,
dass sie auch Touristen beraten sollte. Aber dank Fredy's
Charme tauen die beiden schwarz gewandeten Damen auf,
telefonnieren sich die Finger wund und praesentieren
schliesslich feierlich die zustaendige Adresse. Dieses
Buero entpuppt sich dann als die uebergeordnete
Koordinationsstelle der gesamten Public Relation des
Irans. Doch wir werden trotzdem mit Broschueren und
diversen CDs ausgestattet.
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Zu Fuss und im Auto schnuppern wir mehr
Gross-Stadtluft sprich Abgase als uns lieb ist. Dass die
Hautpstadt Teheran gut 10 Mio. Einwohner und dazu
etwa 3 Mio. Pendler hat, merken wir am Abend. Ein
Grossteil von ihnen scheint sich aus der Stadt zu
waelzen, als wir den von Andrea und Vroni, zwei
Oesterreicherinnen im Land Rover unterwegs nach Indien,
angegebenen Uebernachtungsplatz im noerdlichen Stadtteil
anpeilen. So ein Verkehrs-Chaos laesst sich gar nicht
schildern, man muss es erlebt haben. Eine durch die ganze
Stadt fuehrende Strasse kann unzaehlige Male von
Gegenverkehr zu Einbahn in der und wieder nach ein paar
Blocks in die andere Richtung wechseln. Abgebogen wird
auch von der entgegengesetzten aeusseren Spur aus. Man
hupt und schiebt sich einfach quer über alle drei
Spuren, auf denen sich sowieso schon fuenf Kolonnen
quetschen. Stosstange an Stosstange, Lichtsignale
ungeachtet, waelzt sich die Blechlawine fast
zentimeterweise durch die Strassen. Die Sammeltaxis und
Busse stoppen unberechenbar, laden am Strassenrand
Fahrgaeste ein oder aus ohne auch nur einmal den Blinker
zu betaetigen. Mittendrin stehen machtlose Polizisten,
die niemand beachtet, und von Amtes wegen ab und zu ihre
Pfeifen benuetzen, meist aber mit irgend einem Fahrer
plaudern. Nerven braucht man keine - man kann gar keine
haben!! |
Was vage Angaben betrifft, so steht die
hiesige Schweizer Botschaft den Iranern in nichts nach.
3x mussten wir von unterwegs anrufen und darauf bestehen,
nicht nur Orientierungspunkte wie Brufecke, viele
Haeuser, Grünanlage ("sie werden's schon
sehen") sondern konkrete Strassennamen zu erhalten,
um die richtige Sharifi Manesh (von der es allein im
Nordteil der Stadt schon zwei gibt) zu finden. Ich wagte
mich in den empfohlenen Coiffeursalon, wo ich von der
Chefin hoechstpersoenlich bedient wurde. Was sie nach
einer kalten Haarwaesche über einem Lavabo mit ihren
zweierlei klemmenden Scheren fertigbrachte, ist ganz
erstaunlich. Botschafts-Angestellte muessen aber noch
andere Bezugsquellen haben, denn ich kann kaum glauben,
dass der uns genannte Sharwand-Supermarket am Arjentin
Square wirklich das das Beste ist, was man hier findet! |
Am Mittwoch sind wir mit der U-Bahn
unterwegs. Von der Endstation Mir Damad koennen wir
direkt für R. 650.- (Fr. -.20 ca.) mit der roten Linie 1
in das Zentrum fahren. Frauen allein unterwegs fahren
prinzipiell in gesonderten Wagen in der vordern
Zughaelfte (und in den Bussen im hinteren Teil). Wir
besuchen den Golestân-Palast aus dem 19. Jht., der von
der Pahlavi-Dynastie noch für zeremonielle Anlaesse wie
die Kroenung des letzten Shâh Resas benutzt wurde. Die
Bauten inmitten einer Gartenanlage mit Springbrunnen und
Rosenbeeten unter hohen Baeumen wurden leider seit der
Revolution vernachlaessigt und an allen Ecken und Enden
wird nun renoviert. Aber die Spiegelwaende, Kachelwaende,
Marmor-Reliefe, geschnitzten Holztore und pompoesen
Eingaenge sind einen Besuch wert. |

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Gegenueber liegt der Bazar-e Bozorg, in
dem man sich verirren kann. Darin sind die verschiedenen
Klassen der iranischen Gesellschaft vertreten mit fast
30% Anteil an Grosshaendlern und etwa 50% Kleinhaendler
und Handwerker. Den Rest bilden die vielen
Strassenhaendler und die Lastentraeger, die entweder die
Waren auf ihrem Buckel oder aber mit den vielen
Schubkarren durch die engen Gassen befoerdern. Hier und
in den vielen Geschaeften in der ganzen Stadt findet man,
was immer man sucht - es ist alles nur eine Frage des
Preises. Die ganze Produkte-Palette ist hier und in den
vielen Geschaeften in der ganzen Stadt vertreten, wenig -
wie wir festgestellt haben "made in Iran" -
sondern vielmehr aus aller Herren Laender importiert. Die
Kostbarkeiten und Glas-Schaukaesten im Juwelen-Museum in
der Ferdowsi St. wurden anscheinend seit der Revolution
nicht mehr abgestaubt, und so praesentiert sich die ganze
Ausstellung mit ihren unzaehligen defekten Spots eher
stumpf und wenig beeindruckend.
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Der nächtliche Regen hat die Luft
gereinigt. Vorsichtshalber nehmen wir beim wechselhaften
Wetter noch einen Regenschutz mit. Heute steht die Borj-e
Azadi, der Turm der Freiheit, auf dem Programm. Da
treffen wir eine kurdische Schulklasse, deren Lehrer uns
bestuermen und schliesslich ueberzeugen, mit ihnen ueber
Mittag zu picknicken. Da wir mit ihnen schon ausserhalb
der Stadt landen, besichtigen wir auch gleich den
danebenliegenden Zoo, was aber immer eine eher
deprimierende Angelegenheit ist. Per Taxi kehren wir in
die Stadt zurueck, staerken uns gepflegt im frueheren
International und heutigen Lâle Hotel, bevor wir dem
Teppich-Museum einen Besuch abstatten. Woll- und
Seiden-Teppiche aller Provenienzen und traditioneller
Muster kann man hier bestaunen. Ihre Qualitaet haengt von
der Anzahl der Raj (Knoten auf ein 7,2 cm Laenge) ab. |
Wir kaufen Tickets, um Teherans 3'935 m
hohen Hausberg mit der Towchal Tele Cabin zu besuchen -
keine gute Idee an einem Freitag, der hier unserem
Sonntag entspricht. Leider sind die meisten 6-Gondeln in
Revision und man operiert nur mit einigen wenigen, die
eine immense Warteschlange, dies wohlvertanden in
Beachtung der islamischen Regeln in Bezug auf
Geschlechter-Trennung, bewaeltigen soll. Da diese
Ausfluegler auch alle wieder zu Tale muessen, stoppt man
die Bergfahrten einfach um 14.ooh. Wir lernen deswegen
weder die fuenfte, noch die letzte und siebte Station,
auf der man noch zu der Jahreszeit Skifahren kann, kennen
sondern begnuegen uns von da aus mit dem Panorama ueber
die City. |
Wir widmen uns stattdessen dem Saad Abâd
Komplex, einer riesige Gartenanlage mit 18 Gebaeäuden
aus den 30iger-Jahren, in der heutzutage verschiedene
Museen untergebracht sind. Uns interessiert der National
Palast (Kâkh-e Muzue-ye Mellat), die Residenz des
letzten Shâh Rezâ und seiner Gemahlin Farah Diba. Die
klassisch moeblierten riesigen Wohnräume werden von bis
zu 145 m2 grossen herrlichen Teppichen und schweren
Kristall-Leuchtern dominiert. Ebenso sehenswert ist der
Kâkh-e Muze-ye Sabz, der gruene Palast, in dem der erste
Shâh Rezâ der Pahlavishâhs wohnte. Aussen in gruenem
Marmor gehalten, sind innen die Raeume feudal
ausgestattet, die meisten mit Spiegelmosaik, in denen
sich die gewaltigen Luester reproduzieren. |

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In Europa soll ein Virus im Internet sein
Unwesen treiben. Im Verbund mit den sonst schon langsamen
Verbindungen konnte ich am Vortag in 6 Std. Arbeit mit
Muehe und Not die zwei Reiseberichte und mit der
Geschwindigkeit von ca. einer komprimierten jpg-Foto pro
Minute die Aufnahmen in die Fotogalerei der Homepage
aufladen, aber keine E-mails mehr beantworten. Die
Internet-Station bei der PTT am internat. Flughafen hatte
Ruhetag. Auch der private Anbieter in der
Fedowsi/Johmhuri St. war nicht geschaeftstuechtiger. Die
Geldwechsler auf der Strasse lotsten uns zu einer
kleineren Station in einem verwahrlosten Block, wo im 3.
Stock in einem heissen, abgedunkelten Raum die Tastaturen
bearbeitet wurden. Kopftuch ablegen oder Jacke ausziehen
liegt nicht drin, dafuer kriegt man zur Regulierung des
Fuessigkeitshaushaltes kostenlos heissen Tee angeboten! |

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Heute, am 8. Mai, heisst es für uns Teheran
adieu! Auf der Ausfallstrasse Richtung Qom besuchen
wir noch das Mausoleum Ayatollahs Khomeini, dessen
goldbronzierte Metallkuppel, die vier goldfarbenen
staehlernen Minarette und die vier tuerkis belegten
Kuppeln an allen vier Ecken von weither sichtbar sind.
Von Nahem steht man aber vor einer riesigen Baustelle.
Schuhe abziehen, Fotoapparat und Kamera abgeben,
Sicherheitskontrollen inkl. Abtasten wie am Flughafen
sind ein Muss, bevor uns der (getrennte) Zutritt in die
100 m lange Halle gewaehrt wird, wo der Schrein des 1989
verstorbenen Maertyrers (= wer im Kampf für die Sache
Gottes stirbt) steht. Nicht willkommen sind wir als
Auslaender hingegen auf dem riesigen Friedhofgelaende des
Behesht (=Paradies)-e Zahrà, wo die vielen im Irak-Krieg
von 1980-88 gefallenen Soldaten, ebenfalls Märtyrer,
begraben sind. |
Ueber Varamin führt unser Weg fuehrt am
noerdlichen Rand der Salzwueste entlang. Obwohl nur
gerade 40 km Luftlinie von der Hauptstadt entfernt, ist
man schon in einer anderen Welt. Die laendlichen Gebaeude
sind aus Lehm mit Stroh vermischt gebaut mit auffallenden
Kuppeln und Runddaecher. Wir klettern durch eine
zerfallene, verlassene Siedlung. Grundsaetzlich wird aber
immer noch in derartigen, innen erstaunlich kuehlen
Bauten, gewohnt. Wassertanks, Stromanschluss und
Fernseh-Antennen beweisen uns das.
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Grundwasser gibt es hier genuegend. Zwar sind die
Kanaele und Pumpstationen in schlechtem Zustand, aber sie
befoerdern gegnuegend Wasser um in der Naehe von
Ortschaften die Felder kuenstlich zu bewaessern. Zu
dieser Jahreszeit sind sattgruen mit Getreide, die Erde
aber mit einer weissen Kruste vom verdunsteten stark
salzhaltigen Wasser ueberzogen. Die Landschaft um Eyvanakey
und Garmsar Richtung Semnan ist im warmen
Abendlicht eine Augenweide. Die kahlen Haenge des
Alborz-Gebirges zur noerdlichen Seite sind vielfarbig und
von Erosion durch Wind und Regen gepraegt. Rechts in
Fahrtrichtung liegen weite Ebenen, kaum durch Huegelzuege
und mit nur wenigen kleinen Orten mit ihren bebauten
Feldern unterbrochen. Die Gegend ist reich an Rohstoffen
und ueberall sieht man Abbau-Stellen und verarbeitende
Industrie für Gips, Kohle, Zink und Blei.
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Als wir im Laufe des naechsten Morgens in
Semnan einfahren, werden wir schon von der
Polizei, die im ganzen Lande neuste 230-CE-Mercedes
faehrt, erwartet. Ich kann gerade noch die Kopfbedeckung
überwerfen, bis ein ueberaus hoeflicher Beamter Fredy's
Papiere verlangt und ihm (obwohl ich am Steuer sitze)
klarmacht , dass im Iran eben auch bei dem jetzt
herrschenden strahlenden Sonnenschein und gut 35o
C von der Frau ein Kopftuch verlangt wird, ich aber
unterwegs ohne gesichtet worden sei! Es gibt ein Palaver
ueber Funk, ein Sitten-Spezialist stoesst hinzu, dem
alles von Englisch auf Farsi uebersetzt werden muss. Sie
diskutieren und raetseln und sind dann ganz erleichtert,
dass das Wappen am Auto nur unsere Landesflagge und keine
"diplomatic mission" sprich zusaetzliche
Komplikationen bedeutet und sie uns nach muendlichen
Ermahnungen weiterziehen lassen koennen. Diese
Provinzhauptstadt sieht vermutlich kaum Touristen. Der
Basar ist klein und ganz auf die alltaegliche Versorgung
ausgerichtet. Wir sehen uns das schoene Stadttor
Darvâze-ye Arg aus 1885, die Masjed-e Imam
Khomeini-Moschee sowie das aus dem 8. od. 9. Jht.
stammende Ziegel-Minarett der Freitags-Moschee an.
Unmittelbar nach dem Ort finden wir ein Riesenrohr mit
sprudelndem, klaren Wasser, wo wir unsere schon wieder
angesammelte Schmutzwaesche bearbeiteten koennen. Bei der
geringen Luftfeuchtigkeit kann man, bis Fredy das letzte
Stueck gewaschen hat, schon das erste trocken abnehmen.
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Mein Vergehen nach Damagan am
kommenden Tag, Ueberholen bei ausgezogener
Sicherheitslinie, wie das hier jeder tut, ist nicht so
schwerwiegend wie der Anlass gestern, deshalb laesst die
Polizei uns rasch wieder springen! Ueber Mittag halten
wir bei Mayamey im Schatten von Pappeln in der
Naehe einer Pumpstation. Nach x-maligem Ueberpruefen der
Umgebung, um ja kein oeffentliches Aergernis zu erregen,
spritzen wir uns gegenseitig mit dem herrlich kuehlen
Wasser ab. So sind wir noch voller Elan, als wir Miyandasht
erreichen. Die alte Karawanserei wird originalgetreu von
der ICHO (Iranian Cultural Heritage Organization) wieder
aufgebaut. Wir sind herzlich willkommen, zwischen
Geruesten und Bauarbeitern umherzustoebern und bis auf
die Daecher und Kuppeln hinauf zu steigen. Vom
Projektleiter (ein grosser Vorteil hier im Iran,
jedermann hat immer alle Zeit der Welt) erhalten wir
Erklaerungen und sogar eine zweisprachige Broschuere. |
Bei Abbasabad machen wir einen
vergeblichen Abstecher suedlich, um uns die schimmernden
Salzkrusten in natura anzusehen. Aber nach einigen
Kilometern - erst durch vertrockenete Bachlaeufe, dann
mutig quer über die Ebene auf kiesig-sandiger Unterlage
zwischen dornigen Gestrueppen - erinnern wir uns an die
klassische Fata Morgana und muessen einsehen, dass die in
der Hitze gleissende Fläche immer gleich weit entfernt
scheint. Wenig spaeter passieren wir dann sowieso direkt
auf der Hauptstrasse solch verkrustete Boeden! Einmal
mehr sind wir fasziniert von der Landschaft um Mehr
und Sabzevar und ihren vielen Farbnuancen. Ab der
Zivilisation nach dem Godar-e Aliyak uebernachten
wir in Gottes Natur. Die Bauern reiten auf ihren Eseln
auf dem Heimweg von den Feldern vorbei, im Schlepptau
ihre Frauen zu Fuss, und gruessen freundlich. |
Eine holprige Teerstrasse fuehrt über Soltanabad
nach Neyshabur. Der Verkehr nimmt langsam zu, die
Besiedlungsart deutet auf die nahe Grosstadt hin. Bei
gleissender Hitze von 40oC rollen wir dann am
Dienstag, 11. Mai, in Mashhad ein. Der heilige
Bezirk der 4 Mio. Stadt liegt kreisfoermig mitten in der
Stadt. Der Verkehr wird unter ihm hindurch auf
abgas-reichen Strassen gefuehrt. Erst der innere Bereich
ist fertiggestellt. Rundum werden staendig neue Arkaden
und Vorhoefe angebaut - Beschaeftigung genug für die
kommenden Jahre bei den hiesigen Baumethoden und
Arbeitstempi. Der Schein des 8. schiitischen Imam Ali
Rezâ unter der Goldkuppel in der Gowhar-Shad-Moschee ist
das Kernstueck und umgeben von gleissenden
Spiegelmosaik-Flaechen und riesigen Kronleuchtern. Die
goldenen oder verfliesten Waende und die schweren
Holzportale wurden vielfach mit Schutzglas ueberzogen, um
der Abnuetzung vorzubeugen, da die Glaeubigen sie mit
Haenden und Kopf beruehren oder kuessen. Um diese
Sehenswuerdigkeit von innen zu sehen, hinterlege ich
meinen Pass am Eingang und fasse einen Tschador. Dieser
Wallfahrtsort für Moslems ist gut besucht, auch von
Pilgern aus dem Irak. Die vielen Teppiche (uebrigens
nicht handmade sondern Dralon-Exemplare) sind voll mit
murmelnden, den Koran rezitierenden Glaeubigen. Abseits
gruppieren sich Frauen, je nach Herkunft und Zweck des
Besuchs leise oder mit rythmischen Bewegungen und auf die
Brust klopfend betend oder laut wehklagend.
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In Mashhad "wohnen" wir mitten
im Trubel neben dem Basar hinter dem Meidan-e Beit
al-Moqaddas -Kreisel. Hier treffen wir mal wieder auf
andere Reisende: Claude/F auf Kurzurlaub und Jan/N für 1
1/2 Jahre mit ungefähr derselben Route wie wir, beide
per Velo unterwegs. Sie haben einen lokalen Guide
aufgegabelt, Vali, der uns gemeinsam in unserem Camper
nach Abardeh lotst. In diesem Dorf koennen wir
ungeniert fotografieren. Abschluss des Besuchs bildet ein
Mittagessen im oertlichen Restaurant, an dem natuerlich
wer immer anwesend Anteil nimmt. Âbgusht, ein Gericht
urspruenglich aus Taebriz stammend, wird serviert. In
Suppe wird alles gegart. Mit einer Art Moerser wird in
einer Schale "Feisses" zerstossen, Brotfladen
in Stuecke gerissen, alles mit Suppe uebergossen und
ausgeloeffelt. Im zweiten Gang wird dann das Fleisch
selbst und das Gemuese wie Kichererbsen, Kartoffeln
zerstampft. Dieses Mus wird mit Fladenbrot-Stuecken zu
Mund gefuehrt. Nach einer kurzen offroad-Strecke, auf
der den Pedalern die Luft wegbleibt, erreichen wir Kang,
das schoenste Dorf, das wir im Iran gesehen haben. Die
erdenen Häuser schmiegen sich eng an einen Hang. Ihre
flachen Lehmdaecher bilden jeweils die Zugangsstrasse
für die obere Haeuserreihe.
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Heute Donnerstag sind wir in Vali's Haus
zum Mittagessen eingeladen. So modern sich der
Vielsprachige auch geben mag, zuhause herrschen die für
Maenner bequemen, traditionellen Grundregeln. Probleme
macht ihm hoechsten die 15-jaehrige Tochter. Sie wagt
sich zu freizuegig gekleidet auf die Strasse, d.h.
bedeckt Haaransatz und Hals nicht geziemend. Aufgetischt
wird auf der Sofre (einer grossen Tischdecke) am Boden.
Gereicht wird wiederum eine Suppe, dann trockener Reis,
rote-Bohnen-Gemuese mit Fleisch darin, Salat und Joghurt,
zum Nachtisch Wassermelone. Immerhin setzt sich seine
Frau mit uns zusammen hin, traegt aber Kopftuch und
Tschador zum Essen. Das Haus hat vier Raeume, alle mit
Teppichen belegt, die ohne Schuhe betreten werden.
Geschlafen wird in duennen Matraetzchen auf dem Boden.
Die einzigen Moebel im Haus sind ein Gestell mit
Fernseher im Wohnzimmer und im Zimmer von Sohn Rezâ, der
naechstes Jahr 16-jaehrig, sein "Studium"
beginnt, ein Pult mit einem Computer, auf den Vali sehr
stolz ist, aber nicht zu bedienen weiss. Die Daten-
und Bilder-Uebermittlung ist immer noch ein ungelöstes
Problem. Wir haben zwei Internet-Cafés abgeklappert, Jan
bereits deren vier. So nehmen wir uns frei und tun etwa
für unsern Geist. Wir besuchen eine Gemeinschaft der
örtlichen Derwische (persisch für Armer, Bettler). Sie
bekennen sich grundsätzlich zum Islam (sind meist
Schiiten), halten sich aber nicht streng an dessen Regeln
sondern versuchen, die "Reinheit des Herzens"
durch Meditation, Trance oder Tanz zu erreichen. Wir
werden im Gonad-e Sabz herzlich willkommen geheissen,
sitzen im Schneidersitz im Empfangsraum (wobei uns fast
die Beine einschlafen), erhalten Châi, währenddem die
Mitglieder eintrudeln und einander mit Hände-, Stirn-
und Wangen-Küssen begrüssen. Fredy und Jan werden zum
Zeremoniell eingeladen. Mich trifft das Schicksal der
Weiblichkeit hier: Die fast zwei Stunden, während dem
die Pirs (spirituellen Führer) die Gläubigen mit
Gebeten und Gesang in Trance versetzen, verbringe ich im
Nebengemach unter in Tschador gehüllten Frauen und höre
den Singsang nur aus dem Lautsprecher. Keine von ihnen
spricht eine Fremdsprache, ich kann leider kein Farsi -
schade, denn zwei der jüngeren scheinen einer
Unterhaltung nicht abgeneigt zu sein. Nach Abschluss der
Zeremonie wird gemeinsam gegessen, Âbgusht natürlich.
Mein Verlangen danach ist inzwischen nach 3 Mal innert 24
Stunden gestillt und ich bin froh, dass wir eine eigene
Verpflegungs-Möglichkeit im Camper haben. Vorsorglich
haben wir hier noch eingekauft - nicht dass es in
Turkmenistan, unserem nächsten Ziel, nichts zu kaufen
gäbe - aber hier kennen wir inzwischen Mittel und Wege,
wie man zum Gesuchten kommt.
Morgen Freitag, 14. Mai, werden hier wieder die
meisten Geschaefte geschlossen bleiben. Am spaeten
Nachmittag wollen wir nach Quchan fahren und dort
ein letztes Mal im Iran übernachten. Die Abänderung
unserer Route in Turkmenistan und die Verlaengerung
unseres Aufenthaltes auf fuenf Tage hat geklappt. Wir
koennen am 15. bei Bajgiran einreisen und auch die
Hauptstadt Ashqabad besuchen. Mit einem obligatorischen
Begleiter an Bord werden wir dann ueber Mary an die
usbekische Grenze fahren.
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