18.-29. Juli 2008 /Bolivien II - vom Titicaca-See ueber La Paz-Cochambamba-Santa Cruz zu den Jesuiten-Missionen um San Ignacio de Velasco und zur brasilianischen Grenze bei San Matias

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Der Zeitpunkt unseres peruanisch/bolivianische Grenzuebertritts ist mehr als ungluecklich gewaehlt. Nicht nur, dass wir gerade zur Mittagszeit da ankommen (was aber auf beiden Seiten zu unserer Ueberraschung gefliessentlich uebersehen wird) - nein wir haben es auch geschafft, heute am Freitag, 18. Juli, ausgerechnet im Trubel des woechentlichen Markttags da aufzutauchen. Im Schritt-Tempo ueberqueren wir die Bruecke im Grenzort Desaguadero, wonach uns die bolivianische Flagge willkommen heisst. Wir beschaffen uns zwar im Nu die Stempel in unsere Paesse, finden bloss keine Zollstation. Diese befindet sich ausserhalb des eben durchfahrenen Chaos bei einer neueren, grossen Bruecke, wo die Lastwagen und der damit verbundene Gueterverkehr abgefertigt werden. Da kommen wir ebenfalls zu unserer Autorización der temporaeren Einfuhr unseres Vehikels nach Bolivien.

Als wir uns das letzte Mal in dieser Region aufhielten, glaubten wir aufgrund von Schilderungen anderer Reisender etwas verpasst zu haben und wollen es nun nachholen. Fredy ist nicht so ganz "im Strumpf" und schenkt sich den Besuch der Ruinen von Tiwananku, datiert aus 100-1'000 n.Chr. Zum Glueck vermitteln ein Modell und die Rueckseite des Eintrittsbillets einen Eindruck, was da einst in der Bluetezeit der Tiwanaku-Kultur bestanden hat. Die sich damals ueber 5km2 erstreckende Staette ist stark zerstoert. Die Anlage mit ihren Bauten wurde nach dem Untergang dieser Kultur als Steinbruch missbraucht und die gehauenen Steine fuer Kirchen, Haeuser und sogar fuer die nahe Eisenbahnlinie als Baumaterial weggeschleppt. Heute wird immr noch an der weiteren Freilegung gearbeitet, gegraben und Aushub-Material durchgesiebt.
Gut gefaellt mir der bereits rekonstruierte, halb unterirdische Templete Semisubterráno mit seinen eingemauerten steineren Koepfen. Die weiteren Anziehungspunkte wie das Sonnentor Intipunku mit der Darstellung der Gottheit Wiracocha im Fries steht jetzt im Nachmittag leider im Gegenlicht ebenso wie die meisten Monolithe.
Im warmen Sonnenlicht fahren wir gegen Abend auf die bolivianische Hauptstadt zu. Hatten wir mit dichtem Vorortsverkehr in El Alto gerechnet, werden wir von geradezu wenig befahrenen Strassen ueberrascht. Wir kennen mittlerweile den direkten Weg von der Oberstadt nach Mallasa und stehen kurz vor Einbruch der Dunkelheit bereits vor dem Tor des Oberland Hotels. Da stossen wir wieder einmal auf alte Bekannte, Maite und Werner, und haben Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch. Die beiden andern Camper sind leider unbewohnt und nur zur Ueberbrueckung eines Heimaturlaubs abgestellt.
Am Samstag-Morgen frueh heisst es auf in den Kampf. Auf dem Hinweg finden wir bereits in der Zona Sur eine Variante, die uns mit Kauf von nur zwei, da nicht von den gewuenschten Modellen schlimmstenfalls weiterhelfen und nach Buenos Aires bringen wuerden. In der Av. Zoilo Flores im Quartier San Pedro dann stossen wir auf fachkundige Haendler und im dritten Geschaeft kann man uns in ihrer Filiale in Santa Cruz, wohin wir sowieso fahren, vier neue Reifen derselben Marke und Qualitaet wie wir sie bisher gefahren haben reservieren.
Die Entstaubung des Campers muss verdient werden. Schlussendlich sind wir dann entgegen optimistischer Schaetzung fast zwei Stunden vor der Waschanlage angestanden. Auf dem steilen Weg dahin hatte es bereits einmal unangenehm geknackt. Die Folge davon gewaertigen wir kurz nach Antritt der Rueckfahrt: Um jeweils schonend anfahren zu koennen, hatte Fredy die Hinfahrt im Vierrad-Antrieb gemeistert, worauf bei einer engen Abbiegung das vordere rechte Kreuzgelenk der Antriebsachse seinen Geist aufgab und brach. Am oberen Ende einer stark abfallenden, gepflaesterten Quartierstrasse als beaengstigende Ausgangslage muss Fredy den Camper sichern, mal wieder ins Ueberkleid steigen und die betroffene Halbachse abhaengen - nur so, damit es uns nicht zu wohl wird!

Gestern morgen haben sich leider Maite und Werner verabschiedet und keine weiteren Camper sind erschienen. Also werden wir auch nicht abgelenkt. Fredy tauscht die Stossdaempfer aus, ich sitze mal wieder am Laptop. Gekocht wird nicht, seit wir hier auf dem Gelaende stehen, sondern bequemerweise das Restaurant des Oberlands frequentiert.
Am Sonntag folgt fuer uns der Abschied von La Paz. Wir fahren direkt von Mallasa am Valle de Luna vorbei auf erst Kopfsteinpflaster, dann ueber rumplige Dreckstrasse rauf zur Hauptverbindung 1. Mehr als einmal glauben wir, dass diese Abkuerzung ende und wir brauchen Hinweise der Einheimischen, damit wir zur Einmuendung finden. Danach fahren wir flott auf guter Teerstrasse ueber das Altiplano - eine unwirtliche, jetzt trocken staubige Gegend mit verschlafenen Orten wie Calamarca und Patacamaya. Groesstenteils bewegen wir uns auf ueber 4'000m und meistern nach der Strassengabelung bei Caracollo eine Anhoehe ueber mehr als 4'500m. Confital, das letzte Mal voll bunten Lebens und Markttreibens, liegt heute oede und verlassen da.
Nach dem Mittagshalt blieben uns noch knappe 100km bis nach Cochabamba, doch wir stoppen schon 10km frueher in Quillacollo, wo wir bei der Casa Campestre im Hof Unterschlupf finden. Von hier aus setzen wir via Internet vorerst wenigsten mal administrativ unserer Reise ein Ende und teilen der Reiseagentur Hamburg-Sued per Fax bestaetigt, dass wir ihr Angebot annehmen und mit der Grande San Paolo von Grimaldi Lines am voraussichtlich 19. September 2008 von Buenos Aires nach Hamburg reisen wollen.
Gegen zehn Uhr verlassen wir den Hof des Conventions-Centers Campestre und schauen, da der Reisefuehrer Know-How den palmenbestandenen Hauptplatz von Cochabamba als den schoensten von Bolivien bezeichnet, pflichtbewusst an dieser Plaza de Armas vorbei. Aber uns erscheint das Lob des Guten zuviel und auch den Besuch der Christus-Figur auf dem Cerro San Pedro ersparen wir uns, da wir gut auf den diesigen Ausblick ueber die Provinz-Hauptstadt verzichten koennen. Ich vertue mich in der Stadtausfahrt und wir muessen ein Stueck zurueck- und am Mercado vorbei-krebsen, was uns einige Zeit kostet, doch schliesslich sind wir gluecklich auf der Hochland-Route Richtung Santa Cruz.
Wieder sind einige Male Peaje-Gebuehren faellig. Der Beamte bei der letzten Station bei Punata macht uns noch ausdruecklich darauf aufmerksam, dass es dann noch eine bessere Strasse (durchs Tiefland) gaebe. Aber vorerst sind wir ganz gluecklich mit unserer Wahl und rollen ueber gute Teerstrasse. Nach Tiraque A sehen wir dann den Grund der Warnung des pflichtbewussten Beamten und absolvieren zum Glueck nur ueber einige Kilometer einen gemaessigten Slalom wegen der vielen Loecher im Teer. Dass immer noch an der Ruta geflickt und geteert wird, laesst uns hoffen, dass eventuell das Stueck nach Epizana inzwischen auch schon asphaltiert sein koennte. Aber dem ist leider nicht so. Wir muessen unsere Aufmerksamkeit nach der Abzweigung Richtung Sucre weniger auf die schoene Berglandschaft als aufs Trassee richten. Bei Pojo draengen sich zu unserer Linken Wolken vom Tiefland her ueber die Bergkaemme, werden aber vom boeigen Wind zurueckgehalten.

In Siberia ist es nicht ganz so kalt wie in Siberien, aber es luftet immer noch recht stark. Armer Fredy - er muss wieder mal in den Sack steigen, denn hinten links verliert der neue aufgummierte Reifen seine Luft schneller als wir sie mit unserem kleinen Kompressor reinpumpen koennen, und ein Radwechsel ist angesagt. Waehrend der dafuer benoetigten halben Stunde fallen die weissen Schwaden auf unsere Hoehe nieder und als zusaetzliche Komplikation duerfen wir die naechsten 15km im Nebel die feuchte Strasse suchen.
Die Provinz Santa Cruz ist nicht sehr gastfreundlich - keine Chance, von der am Abhang sich windenden Strasse abzuweichen, obwohl es einzunachten beginnt. In Comarapa brennen schon alle Strassenlaternen, aber wenigstens beleuchten sie ab da eine gute Teerstrasse. Es braucht einige weitere Kilometer, bevor wir endlich im Dunkeln vor San Isidro endlich einen zugaenglichen und von Gebuesch leicht verdeckten Platz finden.
Der restliche oestliche Teil der Hochlandfahrt ist landschaftlich weniger spektakulaer, dafuer rollt man auf mehr oder weniger guter Teerstrasse. Nach San Isidro kommen wir ins Tiefland, verlassen aber die komplett mit Kakteen bestaendene, kaum besiedelte Talmulde rasch wieder. Die Strasse zieht sich via Mataral und Matarani dahin und nach einer Bergkuppe erreichen wir nach gut einer Stunde Fahrt endlich Samaipata. Im "Landhaus" soll es feines deutsches Brot geben so Gott und der Baecker will - bei unserem Einkaufsversuch jedoch nicht. Es gibt auch einen deutschen Metzger vor Ort, aber gedenk der vorgaengigen Erfahrung und unter zusaetzlicher Beruecksichtigung, dass sich sein Geschaeft auf dem Weg zum Friedhof liegt, zieht es mich nicht dahin!
Das Unesco-Weltkulturerbe liegt etwas ausserhalb des Ortes hoch oben auf einer Bergkuppe und wird ueber eine 5,5 km lange Staubstrasse erreicht. Man mutmasst, dass die prae-inkianischen Felsruinen "El Fuerte de Samaipata" ein ehemaliger Kultplatz und Tempel des Schlangen- und Jaguar-Kultes waren und zusaetzlich als Festung gedient haben. Der Besucher kann den Hauptkomplex nur umgehen und zusaetzlich von hoelzernen Plattformen aus besichtigen. Den besten Ueberblick ueber diese der 200x60m grossen Felspyramide, "El Cerro Esculpide" genannte Sandstein-Formation mit vielen drei - und rechteckigen Becken, Rillen und den parallel verlaufenden, ueber 26m langen Spurrillen sowie in den Fels gemeisselten kreisrunden Abbildungen einer Raubkatze erhaelt man gleich zu Anfang vom ersten Mirador aus. An der Nord- wie auch Suedseite befinden sich die Nichos oder Hornacinas Incaicas sowie die Behausungen der Priester. Die Wohnviertel aus verschiedenen Epochen befinden sich in einiger Entfernung und wurden teilweise rekonstruiert. Ob das 12 m tiefe, brunnenartige Loch, die Chinkana, als Reservoir, Grab oder als Entsorgungsschacht diente, ist man sich auch heute noch nicht einig.

Nach dem Mittagessen noch auf dem Gelaende nehmen wir die letzten 140km in Angriff, werden ab nach wenigen Kilometern schon ausgebremt. Die nur unbefestigt in den Abhaengen gefuehrte Teerstrasse wird bei starken Regenfaellen an unzaehligen Stellen jeweils mit Erdrutschen bedeckt, Wasser staut sich unterirdisch mangels Drainaige an und laesst immer wieder eine Fahrspur der Strassen abbrechen und in den Abgrund stuerzen. Die Reparatur-Versuche sind vereinzelt und wie ein Tropfen auf den heissen Stein. Wir muessen uns eine halbe Stunde an eben einer dieser heiklen Stellen gedulden. Die in diesem Zusammenhang verwendeten Tafeln und spanischen Formulierungen habe ich mir auf suedamerikanisch uebersetzt und lauten wie

- "obra en progres" bedeutet auf suedamerikanisch etwa soviel wie " Schaufel lehnt am Strassenrand und kommt vermutlich naechstens zum Einsatz
- "cierre carretera/en construcion" = stundenweise gesperrte Strasse ja/Arbeiten daran meistens nein
- "maquinas trabajando" = idiotisch ab- oder fuer kuenftige Arbeitsanfaelle bereit-gestellte Baufahrzeuge
- "Peligro - derrumbe" - selbst schuld, wenn Du da durch faehrst und Dir was passiert
Viel spaeter als geplant, erst gegen 17.30h, rollen wir denn in der Folge in ein modern anmutendes Santa Cruz rein. Nach der Fertigstellung der Strasse von Cochabamba her, dank Eisenbahn-Verbindung mit Brasilien und Argentinien und Ertrag aus betraechtlichen Erdoel- und Erdgas-Vorkommen erlebte die Hauptstadt des gleichnamigen Departements einen grossen Aufschwung, so dass sie mittlerweile 1,2 Mio. Einwohner verzeichnet. Heute ist sie die wichtigste Stadt des Landes und immer mehr Unternehmen wechseln ihren Hauptsitz von La Paz hierher. Das schachbrettartig angelegte Zentrum verlaesst man ueber sternfoermig angeordnete Ausfallstrassen. Umfahren werden kann es auf darum herum kreisfoermig angelegte Anillos.
Wir umpfluegen die Stadt im feierabendlichen Gewuehl und muessen bei der Zahlselle wenden, damit wir exakt bei den Koordinaten des uns angegebenen Gelaende des Automobil Clubs Bolivien stoppen koennen. Das Areal liegt ganz im Dunkeln und nur ein Nachtwaechter haelt die Stellung. Er besitzt keinen Schluessel, als dass er uns noch das Tor oeffnen koennte, ware aber bereit, uns zum Inhaber desselben zu dirigieren. Wir verzichten dankend auf seine Hilfe und verziehen uns statt dessen zum Uebernachten aufs Gelaende der Tumpak/Bridgestone-Firma an der Av. Banzer, wo ja unsere neuen Reifen auf uns warten.
Am Donnerstag-Morgen um 9.ooh hat sich auch der letzte und somit unsere Kontaktperson zur Arbeit eingestellt. Bloss liegen da keine BFGoodrich 285/75R16" All Terrain fuer uns bereit! Nur gerade von der Ausfuehrung Mud Terrain, aber immerhin mit der fuer uns wichtigen genuegenden Tragfaehrigkeit sind vier zu haben. Waehrend ich noch zu einer Abklaerungs-Tour um das richtige Modell durch Santa Cruz bereit waere (die Pneus kommen uebrigens aus den USA via Iquique/Chile in ca. 10 Tg. Landtransport hierher) fehlt Fredy die Geduld dazu. Also werden wir in Zukunft eben auf groeberem Profil durch die Weltgeschichte rollen - Kostenpunkt USD 200.- pro Stueck.
Im Hipermaxi haben wir wieder mal ein Riesentheater mit der Kreditkarte, die Kassier und sein Vorgesetzter einfach immer nur mit dem Magnetstreifen durchziehen und unbelehrbar nicht in den Chipleser ihres Geraet stecken wollen, so dass ich die Wahl habe, den ganzen Kram stehen zu lassen und ihn in einem andern Supermarket von Neuem zusammenzutragen oder - zu was ich mich entscheide - selbst Bargeld am ATM rauszulassen und anschliessend bar zu bezahlen. Auf dem Parkplatz am Tercero Anillo/Av. Cristo Rendentor spricht uns Raoult an, ein CH mit einer Brasilierin hier verheiratet, an. Mal wieder so ein kurliger Tip, ebenso wie Marcel, in dessen kleinen Lokal wir am Abend auf Empfehlung seines Freundes feine Spiesse Pacumuto Res/Chancho mit schlabrigen Reis, Yuka und Salat fuer ganze 28.- B. wir essen.
Wir haben uns zwar beim Automobil Club Bolivien nach den Modalitaeten wegen Uebernachtung auf ihrem Clubgelaende erkundigt, uns aber dagegen entschieden, da zu dieser Jahreszeit Swimming Pool und Restaurant sowieso geschlossen sind und alles verlassen etwa 13km ausserhalb der Stadt liegt. Vielmehr stehen wir jetzt einfach auf einem Parkplatz der Genex-Tankstelle neben dem ACB-Stadtbuero an der Av. Cristo Redentor. Nach einem betraechtlichen Regenguss am heute morgen frueh blieb es den ganzen Tag ueber bewoelkt und recht kuehl.

Die zu erledigenden Punkte auf unserer Tagesliste hier in Santa Cruz nehmen rasch ab. Die Selbstbedienungs-Waescherei exisitert nicht mehr und wir verschieben diese Angelegenheit auf Guiaba. In einer der Wechselstube werde ich mit Einbusse zwar, aber inmmerhin unsere restlichen peruanischen Soles los. Unweit des Hauptplatzes finde ich einen kleinen Coiffeursalon, wo mein auswuchernder Haarschopf mir von einer ausgewanderten Iranerin gekuerzt wird.Wie so oft, nimmt die Mail-Erledigung am meisten Zeit in Anspruch.

Unser Sightseeing in dieser Stadt beschraenkt sich auf den Besuch der Plaza de 24 de Septiembre, wo die Basilica Menor de Lorenzo, ein roetlicher Backsteinbau im Jesuitenstil, und die dafuer blendend weisse Casa del Gobierno liegen, sowie die umliegenden Strassenzuege.
Im Laufe des Nachmittags verlassen wir bereits die Stadt in oestlicher Richtung nach Cotoca. In Puerto Pailas umkurven wir die lange Lastwagen-Kolonne ebenso gekonnt wie die einheimischen PWs. Dann stehen wir vor dem Rio Grande o Guapay und muessen uns ein Billett besorgen. Mit Nr. 25 bekommen wir eine der letzten Nummern und koennen uns gleich ohne laengere Wartezeit an die langsame Kolonne anschliessen, die auf die 2km lange, aber nur einspurige Eisenbahnbruecke sich zubewegt.
Waehrend wir anschliessend auf der Ostseite des Flusses nordwaerts fahren, erblicken wir in den kleinen Ortschaften ab und zu einen der hochgewachsenen, hageren Maenner in Jeanslatzhose, Westernstiefel und einem grossen Westernhut aus Stroh. Es sind dies Mennoniten, Angehoerige von Wiedertaeufergruppen streng evangelisch calvinistischer Glaubensrichtung. Ihre Vorfahren waren von Deutschland nach Suedrussland/Ukraine, in die USA und nach Kanada ausgewandert waren. Nach Einfuehrung der allgemeinen Schulpflicht 1927 in Kanada machten sich die konservativen Mennoniten in den Chaco Uruguays auf, wo ihnen dieser Staat mit Sondergesetz umfangreiche Rechte einraeumte. Zwischen 1954 und 1986 wagten sie sich dann auch in den bolivianischen Busch und gruendeten 30-130km von Santa Cruz entfernt unzaehlige Kolonnien.

In all diesen Gebieten leben ca. 30'000 Menschen auf Bauernhoefen. Sie fuehren ein asketisches Leben. Jede Familie stellt mit Ausnahme einiger weniger Produkte alles selbst her, was man zum Leben benoetigt. Alkohol, Musik und Tanz sind verpoent. Sie lehnen neben der Kindertaufe, der Scheidung auch den Wehrdienst und lange sogar Maschinen in der Landwirtschaft ab. Noch heute sprechen sie ihre althergebrachte Sprache, eine Mischung zwischen altplattdeutsch und ostpreussisch. Die Maenner stellen die einzigen Verbindungsglieder zur Aussenwelt dar, waehrend die Frauen ins Haus und auf den Hof gehoeren, nach unserem Empfinden langaermlige, altmodische knielange Kleider tragen und ihr Haar in der Oeffentlichkeit mit Kopftuch oder Hut verdeckt. Bis zum 12. Lebensjahr besuchen die Kinder die Schule, wo ihnen aber nur Grundwissen wie Schreiben, Rechnen und Lesen beigebracht wird. Danach arbeiten sie mit ihren Eltern auf Feldern oder Hof und tragen dazu bei, dass die vielkoepfige Familie mit bis zu 16 Kindern sich ausschliesslich vom Erwirtschafteten ernaehren kann.
Wir kommen in keinen naehren Kontakt mit diesen Mennoniten, sehen sie nur in Distanz mit ihren einfachen Pferdefuhrwerke, die sie heute noch ausschliesslich fuer den Transport benutzen, vorbeifahren. Unser Weg fuehrt an grossen Weiden und riesigen Feldern, oft mit Sonnenblumen bestanden, deren Blueten sich jetzt am Abend nach dem tiefen Sonnenstand gegen den Boden zu richten, vorbei. Wir suchen lange, bis wir einen kleinen Feldweg ohne Absperrung finden, zu dessen Seite wir uns fuer die Nacht so hinstellen koennen, dass notfalls noch ein Vehikel passieren koennte.
Wir haben herrlich geschlafen in der kuehlen Nacht. Am Samstag-Morgen lassen wir uns Zeit beim Fruehstueck und starten erst um 10.ooh. Nach Los Troncos beginnt sich die Landschaft zu veraendern. Der grossen Felder werden weniger und die Viehzucht nimmt ueberhand. Zebu-Rinder suchen sich ihr Futter auf weiten gerodeten und nur noch mit Bueschen oder Palmen bestandenen Weiden. Ab San Ramón ist die Gegend huegelig und wir rollen auf die erste der ehemaligen Jesuiten-Missionen, auch Reducciones genannt, zu.
Sie bestanden aus einem quadratischen Versammlungsplatz mit einem grossen Kreuz in der Mitte, an drei Seiten davon Wohnhaeser der Indianer und der Kirche an der 4. Zwischen 2-3'000 Guarnai bzw. Chiquito lebten darin unter Aufsicht meist nur zweier Jesuiten, die zusammen mit den Caciquen (Haeuptlingen) einen Gemeinderat bildeten und ihnen begrenzte Selbstverwaltung gewaehrten. Die Guarani lebten nicht ungern in diesen Missionen, waren sie hier doch vor den aus Brasilien eindringenden Sklavenjaegern, Verschleppung und Ausbeutung sicher. Die Jesuiten, der Sprache ihrer Schuetzlinge kundig, schulten und bildeten diese aus, respektierten deren Lebensweise - nur musste der christliche Glauben angenommen werden.
Die Arbeit der Jesuiten wurde jedoch angefeindet, von christlichen wie auch weltlichen Neidern gleichermassen. 1767 wurden die Reduktionen in ganz Suedamerika auf Befehl vom spanischen Koenig Karl III geschlossen, die Missionare verhaftet und ausgewiesen. Waehrend die paraguayischen Missionen zerfielen, gaben die bolivischen Bewohner ihre Doerfer nicht auf und hielten an ihren Traditionen bis zur Unabhaengigkeits-Erklaerung Boliviens in 1825 fest.

San Xavier wurde 1692 gegruendet und befindet sich bei unserem Besuch in erneuter Renovation. Wir koennen die seinerzeit vom Schweizer Jesuitenpater Martin Schmid aus Baar erbaute Kirche (1749-52) mit ihren Holzsaeulen, dem geschnitzten  Holzportal mit lateinischer Inschrift und den gemalten Verzierungen nur von aussen bestaunen.
66km mehrheitlich durch Savanne und waldige Gelaende liegen vor uns zur naechsten Station, die wir durch den Mittagshalt im Schatten eines grossen Baumes unterbrechen.
Die Mission von Concepción wurde 1709 gegruendet und seine Kirche an der Plaza aus 1756 stammt wie die meisten vom selben Baumeister. Ihre Waende wie auch diejenigen der daneben liegenden Kreuzgaenge sind mit warmen gelb und ocker gehaltenen Malereien verziert, die in schoenem Kontrast zum dunklen Holzwerk stehen, aus dem auch der einzeln und direktan der Plaza stehende Glockenturm errichtet wurde. Wir sind zur foto-idealen Zeit am Nachmittag hier vor diesem begeisternden Bauwerk.

Zwischen Haupt- und den beiden Neben-Schiffen der Kirche tragen zwei Reihen aus je 6 massiven, dunklen Holzaeulen die hoelzerne Dachkonstruktion. Der Hintergrund des zentralen Marien-Altar ist reich geschmueckt und vorwiegend in rot und gold gehalten. Darin eingeschlossen wie auch an den Seitenwaenden und ueber den herrlich geschmueckten Beichtstuehlen sind grosse farige Bilder mit Szenen der Missionierung der Indianer durch die Jesuiten.

Im Stausee des Ortes kuehlen wir uns mit einem Bad von den fuer uns noch ungewohnten warmen Tages-Temperaturen bis zu 30oC ab und schlagen da auch gerade unser Nachtlager auf.
Unverhoffte 30km Teerstrasse ueber Concepción hinaus beschleunigen unsere Fahrt. Danach koennen wir Luft ablassen fuer die anschliessenden 180km durch kleine Chiquito-Doerfer. Wir rasseln auf mehr oder weniger guter Piste ostwaerts und wirbeln Wolken von roetlichem Staub auf. In der gleichen Farbe sind die Seitenstreifen gepudert. Wir kommen gut vorwaerts und schaffen es fuer einen erst spaeten, aber dafuer mit erfrischendem Bad an der Laguna Guapomó von San Ignacio de Velasco versuessten Mittagimbiss.
Am Ort gibt es, obwohl angeblich 30'000 Einwohner, wirklich nur eine Tankstelle, und die ist erst noch ausverkauft - ungeachtet der Tatsache, dass wir ja da unsere Tanks das letzte Mal mit guenstigem bolivianischen Diesel hatten auffuellen wollen. Wie alle andern Fahrer auch, erstehen wir notgedrungen den noetigen Diesel bis ueber die brasilianische Grenze hinaus aus gegenueber der geschlossenen Tankstelle verfuegbaren 10- und 20-Liter-Bidons und zahlen dafuer gut einen 1/3 mehr. Wasser bester Qualitaet bietet sich uns unerwartet ab einem grossen Hahn in der zentralen Gruenanlage an. Wir entschliessen uns, im Ort zu uebernachten und quartieren uns im Garten der Casa Suiza in der Av. Sucre ein. Wir werden mit einem feinen frischen Maracuya-Saft willkommen geheissen und koennen da das Auto beruhigt stehen lassen und zu Fuss zur gruenen Oase, der Plaza 31 de Julio spazieren, um uns in einem der wenigen kleinen Restaurants uns verpflegen.
San Ignacio war das Zentrum der Jesuiten-Missionen und erhielt 1748 die groesste Kirche. Diese wurde jedoch 1948 aus- und leergeraeumt, weshalb man die Ueberreste 1974 abriss und 1999/2000 durch einen originalgetreuen Neubau erstellte. Erst jetzt am Abend zur Abendmesse wird die 1973 originalgetreu der Originalbaute neu erstellte Kirche geoeffnet. In Aufbau und Konzept entspricht sie denjenigen, die wir bisher besucht haben, hat aber um den Altar herum rein goldfarbene Bildnisse und Schmuck. Die Glocken rufen zweimal und die Holzbaenke im grossen Kirchenschiff fuellen sich unglaublicherweise bis auf den letzten Platz. Die Spaetankoemmlinge muessen mit Stehplaetzen unter den grossen Portalen, die hier wie auch alle Fenster und Seitenausgeaenge wahrend des ganzen Gottesdienste offen bleiben, vorlieb nehmen.

Wir verlassen San Ignacio de Velasco zeitig. Eine oft breite und mehrheitlich gut unterhaltene Piste fuehrt ueber Espiritú und anschliessend mehr oder weniger parallel der brasilianischen Grenze nach San Vicente. Nach gut zwei Stunden Fahrt erleben wir eine grosse Enttaeuschung. Hatten wir uns mit der Montage von neuen Pneus vor Reifenpannen sicher gefuehlt, muessen wir uns ganze 600 km spaeter mit einem erneuten Plattfuss vorne rechts und Reifenwechsel in der Hitze befreunden!
Bis Mittag haben wir die Haelfte der Strecke zur bolivianisch/brasilianischen Grenze zurueckgelegt. Am Nachmittag nimmt der Gegenverkehr zu, d.h. wir kreuzen ab und zu ein Vehikel und tauchen fuer kurze Zeit unfreiwillig in dessen Staubfahne ein. Lange Zeit blieben die Viehherden fast die einzigen Tiere unterwegs.
Nach Las Pelas kommt erstmals ein "Pantanal"-Gefuehl auf, da links und rechts der Strasse an Tuempeln sich Wasservoegel tummeln und ein erstes Wasserschwein unsern Weg kreuzt. Im Grenzort San Matias verbringen wir unsere letzte Nacht in Bolivien im Hof des Motel Avenida. Ganz verschwitzt von der Fahrt bei 38oC machen wir gerne Gebrauch von der hauseigenen Dusche um uns abzukuehlen.
Kaufen laesst sich praktisch nichts in San Matias, und wir haben immer noch einige Bolivanos in unseren Taschen. Wir fragen auch hier an der Tankstelle nach Diesel und muessen uns mit ein "mañana tal vez" abspeisen lassen. Auch hier exisitert wieder die Moeglichkeit, sich bei Privaten einzudecken, die vorgesorgt und rechtzeitig Treibstoff gehortet haben. Bei einem um 20% teureren Literpreis von 6.- B. faellt der Einkauf aber entsprechend bescheidener aus.

Zoll und Immigration befaenden sich direkt an der Grenze hatte uns ein deutscher Reisender, den wir in San Ignacio getroffen hatten, falsch informiert. Soldaten tauchen auf und scharren lustlos im Garten der bolivianischen Grenzstation. Zwar oeffnet einer der Diensthabenden gefliessentlich ie Barriere, aber uns fehlen die "sellos", welche hier nicht zu haben sind. Also muessen wir von der Schranke 7 km in den Ort zurueckfahren, um uns in einem durch einen Baum getarnten und leicht uebersehbaren Buero in einem einstoeckigen rosa Gebaeude die Ausreisestempel in den Pass klopfen zu lassen. Am Zoll, der sich direkt vis-à-vis der Tankstelle befindet, waren wir schon mindestens 3x vorbeigefahren, ohne ihn zu bemerken resp. da zu vermuten. Die Abfertigung besteht einzig in der Uebergabe der autorisacion fuer unser Vehikel an den Beamten.
 
Weitere Fotos: siehe
Galerie / Bolivien III - Nr. 5326-5541

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