4.-30. Juni 2011 / Akureyri-Sauðárkrókur-Laugarbakki-Burðardalur- Westfjords-Snaefellnes-Borgarnes-Þingvellir-Selfoss-Hveragerði (IS)

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Island's zweitgrösste Stadt Akureyri (17'000 Einwohner) lässt sich mühelos zu Fuss durchstreifen. Der Fotomotive sind viele. Immer wieder angetan haben es mir die in leuchtenden Farben gestrichenen Holzhäuser. Ebenso sind das moderne Kultur- und Kongress-Center und natürlich der Eyjafjörður heute Samstag, 4. Juni 2011, bei sonnigem Wetter eine Aufnahme wert. Die moderne Akureyrar-Kirkja thront hoch über dem Ort. Zu ihren Füssen gibt es sogar so etwas wie eine Altstadt und eine Shopping-Passage in der autofreien Hafnarstraeti. Es herrscht eine herrlich entspannte Atmosphäre.
Während wir noch immer wegen des Windes unsere Windjacken anhaben, haben die Einheimischen bereits auf Sommer umgestellt, laufen zum Teil bereits kurzärmlig, in Dreiviertel-Hosen, ohne Socken und in Sandalen herum. Im modernen eingerichteten Eymundsson kann man zwischen Zeitschriften und Büchern praktisch in den Schaufenstern feinen Kaffee und Kuchen geniessen. Dabei lässt sich vom hauseigenen Wireless profitieren und in die grosse Welt hinaus surfen und derweil die kleine Welt von Akureyri draussen vorbeispazieren sehen. Vis-à-vis davon liegt das rot gestrichene Bautinn, wo wir uns um 19.ooh wieder einfinden, nachdem wir den Camper neben dem "Hof" für die Nacht parkiert haben. In Gesellschaft der Besatzung eines CH-Ivecos, Raphael und Olga, probieren wir die lokalen Spezialität, Walfisch vom Grill.
Heute weht ein unheimlich kalter Wind und dazu regnet es den ganzen Morgen unaufhörlich auf unserer Fahrt entlang des Eyjafjörður Westufers. In Dalvík ist man erst am Putzen des modernen Schwimmbades, also nichts mit einem aufwärmenden Bad in dessen heissen Thermal-Pools. Der Migindisfoss, der über die Klippen direkt ins Meer stürzt, wird im Regen seines spektakulären Anblicks überhaupt nicht gerecht. Durch einen ersten Tunnel noch auf Route 82 gelangen wir nach Olafsfjörður. Der penetrante Fischgeschmack im ganzen Dorf lässt uns weiter nordwärts flüchten.Während wir im Zwischenstück zwischen zwei neuen Tunnels an Route 76 am Héðinsfjarðavatn Mittagsrast einschalten, reisst der Himmel auf und holt unerwartet tollstes Sonntags-Wetter heraus.
Herrlich der Anblick des sonnigen Siglufjörður. In ihrer Blütezeit hatte diese Stadt über 3'000 feste Einwohner, obwohl sie im Winter nur von der See her versorgt werden konnte. Dazu kamen ab 1904 während der sommerlichen Fangzeit Zehntausende von Fischern sowie Saison-Arbeitern und –Arbeiterinnen, die in 23 Salzstationen die Heringe und in fünf Siedereien die Fischabfälle zu Tran und Fischmehl ver- und damit 20% der gesamten Exporte des Staates er-arbeiteten. Magere Fangjahre und Rekordmengen um 1950 wechselten sich ab bevor der Hering 1969 verschwand. Die einst enormen norwegischen und isländischen Bestände waren überfischt, die goldenen Zeiten damit zu Ende mit gravierenden Folgen für die Region und die gesamte Nation. In den 70er Jahren erlebten die ehemaligen Hering-Zentren dank der Modernisierung der Dorsch-Fangflotte nochmals einen, aber leider nur kurzfristigen Aufschwung.
Heute hat Siglufjörður an die 1'300 Einwohner und von der ehemaligen Klondyke-Atmosphäre ist nichts mehr zu spüren. In einer der seinerzeit mit vier Landebrücken grössten Stationen, der Roaldsbaracke aus dem Jahre 1907, wo 1916 gar 30'00 Fässer Hering (bei einem guten Durchschnitt von sonst 10'000) eingesalzen wurden, sowie zwei weiteren Gebäuden ist das Síldarminjasafnið, ein Museum, das den damaligen Alltag fast wieder lebendig werden lässt, untergebracht: Trakte mit den in ursprünglichen Zustand belassenen Unterkünften, einer nachgebauten Anlage der Fischverwertung, Infos über das Hafentreiben samt einem kleinem Trawler.
Im Zentrum für isländische Volksmusik lernen wir die isländische Fidel kennen. Der einfache hohle Kasten aus Holz mit zwei Saiten wird entweder mit Bogen oder hölzernem Stab gespielt. Vom zweiten traditionellen Instrument, der Langspil, einer etwas komplizierter gebauten Fidel, nimmt man an, dass sie eigentlich aus Norwegen stammte. Im 19. Jht. wurden neben dem Harmonium auch Akkordeons, Gitarren, Flöten und Pfeifen importiert. Wichtiges Element der hiesigen Musik ist und bleibt der Gesang in Form von Volksliedern und Rímur (Reime resp. lange Erzähl-Gedichte). Wer hierzulande den Volkstanz liebt, braucht eine gute Kondition, denn sehr häufig ersetzt das Singen der Tänzer/innen das Instrumenten-Spiel.

Zur Uebernachtung dislozieren wir ans östliche Ufer des Siglufjörður´s. Da geniessen wir nicht nur länger Sonne sondern auch eine komplette Rundsicht über das Skigebiet Skarðsdalur, den kleinen lokalen Flughafen ohne Verkehr, den Hafen und die Stadt im Schutzwällen der Lawinen-Verbauungen am steil dahinter aufragenden Eyjafjardarsýs.
Wir umrunden die Halbinsel Laskagi weiter im Gegenuhrzeiger-Sinn mit herrlichen Ausblicken auf den orangen Leuchtturm auf dem Kap in Dalatá und der Küste generell. Wir versuchen, von Westen her auf den 630m hohen Siglufjörðarskarð für eine noch bessere Aussicht zu gelangen, müssen aber das Unternehmen schon nach wenigen Hundert Metern am ersten von vielen Schneefeldern auf der Erdstrasse aufgeben. Wir verlassen den Fljótavík und bleiben um den Miklavatn herum auf Route 76. Bei Lónkot erblicken wir erstmals vor der Küste Málmey- und in einiger Distanz die markante Drangey-Insel. Das Póðarhöfði-Kap ist nur mit zwei schmalen Gräten mit dem Festland verbunden und liegt auf dem Weg nach Hofsós. Das verschlafene Fischerdorf mit 170 Einwohnern wartet ebenfalls mit einem Museum auf. Diesmal werden wir mit den Schicksalen von aus dieser Region zwischen 1870 und 1910 nach Amerika, vor allem nach North-Dakota, ausgewanderten Isländern vertraut gemacht. In einer separaten Ausstellung wird anhand der damals per wochenlanger Seepost ausgetauschten nostalgischen Schwarz-Weiss-Aufnahmen die Geschichte der Fotographie während dieser Periode dargestellt.
Wir sind nicht die einzigen Besucher, aber fahren eins von nur zwei ausländischen Vehikeln. Und den anderen Camper, einen Landcruiser aus Holland, und seinen Fahrer Mario haben wir – denn klein ist die Welt - 2007 im Karajini-National Park in Australien kennengelernt!
Nach einer flachen schwarzen Sand-Bucht und dem Hegranes taucht im spät-nachmittäglichen Licht am südlichen Ende des Skagafjörður das moderne Sauðarkrókur auf, das wir allerdings links liegen lassen. Unser Sinn steht nach einem Bad, und zwar in den beiden 38 und 42-43o C warmen Thermal-Pools von Grettislaug. In wechselnder Gesellschaft von andern Touristen, am Schluss nur noch alleine zusammen mit Mario, der ebenfalls hier eingetrudelt ist, entspannen wir über zwei Stunden lang in den sauberen, vor allem auch geruchlosen Wasser in den mit Steinen eingefassten Naturbecken. Am Schluss sind wir so "aufgeheizt", dass wir in den nassen Badehosen nicht einmal mehr den kalten Wind auf dem Weg in den Camper verspüren und so faul, dass wir nur noch die kleine Distanz bis ans Ende von Route 748 zur Glerhallavík-Bucht fahren, oberhalb der wir übernachten. Bei uns gibt's eine Version von Riz Casimir, zu dem sich Mario gerne einladen lässt. Die Zeit vergeht im Flug und wir müssen, nachdem die Sonne um 0.25h für gerademal knapp zwei Stunden umgeben von einer Farbenfülle im Meer versunken ist, uns geradezu zwingen, zu Bett zu gehen. Geschlafen wird meines Erachtens wie in einem Mausloch. Im verdunkelten Camper sind alle Fenster und Luken verhängt, ansonsten mein Gemahl keinen Schlaf finden kann.

In Sauðarkrókur kommen wir am Dienstag-Morgen zu Brot und Milch, bevor wir Route 75 unter die Räder nehmen. In nur gut 18 km Entfernug liegt ein Juwel von einem Freilicht-Museum: Glaumbær. Seit über 900 Jahre stehen die Farmgebäude auf diesem Areal. Wegen der ständig zunehmenden Knappheit an grossen Bäumen und damit Bauholz bauten die skandinavischen Vorfahren der Isländer ihre Häuser nur aus dünnen Holzbrettern, isolierten diese aber mit dicken Schichten von Torfrasen. Eine Kunst ist es, das Dach mit demselben Material bedeckt im richtigen Winkel errichten: nicht zu flach zu, damit es in der Regenzeit nicht durchregnet, und nicht zu steil, damit der Untergrund in den trockenen Jahreszeiten nicht zerbröckelt, das Gras zu schnell vertrocknet und nicht wächst. In einem ausgeklügelten System sind die16 Räume aus- und eingerichtet und vermitteln ein völlig anderes, aber natürliches Wohnklima. Die Wohn- und Schlafräume, die "baðstofa", wurden durch die Körperwärme der in Wolle gekleideten Bewohner geheizt. Zu ihrem Glück soll die weitgehend bakterienfreie Luft Island's die Entstehung von Körpergeruch verhindern und der isländische Torfrasen vermag die so erzeugte Wärme zurückzubehalten.
Nach dem Mittagessen (bei Windstille und unglaublichen 18o C) und einem Kaffee in den nostalgisch eingerichteten beiden neueren Farmgebäuden aus Ende des 19. Jht. peilen wir Vermahlið an, ein in der Ferienzeit wichtiger Ausgangspunkt zu Ausritten, Wanderungen und vor allem Wildwasser-Rafting. Von seinem "Stadthügel" Reykjarhóll blicken wir zurück auf das breite Tal des Héraðsvötn. Ein nächster Abstecher gilt der unweit davon gelegenen, kleinen dunkel geteerte Torfkirche Viðimýrarkirkja aus 1834. Ueber den Stóra Vatnsskarð erreichen wir das Tal der Blanda und geniessen nun nördlich von Blönduós an Route 741 direkt unten am dunklen Kieselstrand einen friedlichen Feierabend.
Nach unserem Start am 8.6. um 10.30h spazieren wir eine halbe Stunde später schon durch Skagaströnd, deren 530 Einwohnern man ausnahmsweise eine moderne Kirche hingestellt hat. Wir bewegen uns danach auf der wenig besiedelten westlichen Seite der Halbinsel Skagi nordwärts. Bei Króksbjarg sehen wir uns nach Weisung der einschlägigen Reiseführer die 50m hohen Klippen an. Ab Meereshöhe folgt auf eine Lehmschicht 8m hoch Sandstein und erst zuoberst die Basaltsäulen mit umgekehrter magnetischer Polarität. Auch der Leuchtturm von Kálfshamarsvík ist immer noch von unverwüstlichen Basaltsäulen umgeben, während im Gegensatz davon vom einstigen gleichnamigen Fischerdorf nur noch ein paar alte Torfmauern übrig sind. Die ebenso markanten Klippen von Ketubjörg bereits auf der Ostseite warten zusätzlich noch mit ins Meer stürzenden kleinen Wasserfällen auf.
Nach dem stärkenden Mittagsimbiss schätzen wir uns voller Tatendrang glücklich, die unscheinbare Abzweigung durch eine Schafsweide hindurch zu finden. Wir befahren die Piste rauf zum Bjarnavatn im umgekehrten Sinne als beschrieben und müssen zuerst über das raue, nur für 4x4 geeignete Teilstück unsern Iveco quälen. Untersetzung hilft, schonender über die Steinschroppen aufwärts zu klettern und nach 10.4 km wird der Traum wahr, um gleich wieder zu platzen. Vor uns liegt der wirklich der tiefblaue Doppel-See. Allerdings werden wir kaum an seinem Ufer campen. Ein zwar nur kleiner Bach liesse sich bestenfalls noch (Fredy)/ kaum (ich) überqueren. Aber danach findet sich keine einzige alte Reifenspur mehr, und gute 200m später verliert sich die Piste endgültig im jungfräulichen Nichts! Das war's dann, aber noch nicht das Ende mit Schrecken, denn jetzt muss noch der Camper gewendet werden. Und wie so oft in solchen Situationen wird nun von mir erwartet, dass ich souverän die Lage mitbeurteile, die Autoverschiebung vorausberechne und militärisch exakt Handzeichen gebe während Fredy in den ihm zu Verfügung stehenden Gängen und Untersetzung wühlt und zackig ans Werk geht. Der dürftige Bewuchs ist unter den Rädern rasch weg und schon rutscht der Iveco unerwünscht seitwärts auf dem abschüssigen, feucht-lehmigen Untergrund. Ich kann schon gar nicht mehr hinsehen, geschweige denn richtig reagieren, als die ganze Kiste sich schräg zu neigen beginnt! Mit der Schaufel ebnet Fredy die Spur vor den Hinterrädern und vorne füllen wir die Löcher mit Steinen auf. Zwei-, dreimal vor- und rückwärts System "Hau Ruck" und schliesslich steht der Wagen erfreulicherweise um 180o gewendet einige Meter ausser dem zerwühlten Terrain. Erleichtert ruckeln wir talwärts und anschliessend wie Otto Normalverbraucher auf der regulären Route 744 zurück nach Sauðarkrókur. Ich habe Glück und muss an diesem Abend nicht mehr hinter die Pfannen. Wir lassen es uns im gepflegten Olafshús-Restaurant gutgehen.

Dem Internet hatten wir gestern Abend entnommen, dass es im Hochland in den nächsten zwei Tagen wieder schneien soll und korrespondierend erwachen wir heute Donnerstag und finden die Höhe des knapp 1'000m hohen Tindastóll weiss mit Schnee überpudert vor. Der guten Infrastruktur der 2'500 Einwohner-Stadt Sauðarkrókur sei gedankt, denn erstes Anliegen heute Morgen ist, den gestern abgerissenen Reserverad-Aluträger bei Kaupfélag schweissen zu lassen sowie eine neue blockierende Scheibe für den hinten rechts aus der Halterung gerutschten Stossdämpfer und eine neue Rückzugsfeder für die Differenzialsperre zu besorgen. Es folgen die banalen Weiterreise-Vorbereitungen wie Auftanken von Diesel, Wasser und einigen Lebensmitteln. Quer über die Halbinsel Skagi gelangen wir an den Húnaflói, erstmals nach Blönduós mit seiner auffälligen modernen Kirche.

Im Mündungsgebiet des Vatndalshdá passieren wir die vielen kleinen, bei einem katastropalen Erdrutsch entstanden kleinen Hügel bevor wir Route 1 wieder verlassen und den Vesturhópsvatn anpeilen. An seinem Ostufer liegt auf 177m Meereshöhe eine noch halbwegs erhaltene kreisförmige Felsburg zwischen 10-15m hohen Basaltsäulen aus aufgeschichteten Felsstücken. Ob Borgarviki einst Festung oder nur Schafspferch war, ist nicht geklärt. Schon das Erklimmen bereitete im Gegenwind erhebliche Mühe Aber das ist mitnichten vergleichbar mit den peitschenden Winden auf dem obersten Punkt, wo man weder still stehen noch die Kamera ruhig halten kann. Die Aussicht die umliegende Landschaft hingegen mit ihren verstreuten Höfen, die neben der Schafhaltung vor allem Pferdezucht betreiben, ist fabelhaft.
Ein Dutzend Kilometer weiter nördlich folgt dann schon die nächste Sehenswürdigkeit. Vor der Küste steht der 15m hohe, bizarre Vogelfelsen Hvítserkur, welcher der Sage nach ein Troll darstellen soll. Regen setzt ein und begleitet uns um die Nordspitze, dem Kap Nestá, herum bis zu unserem abendlichen Standplatz direkt am Strand bei Tjörn.
Nur gut, schlafen wir generell wie Steine, denn die ganze Nacht wurde der Iveco von stürmischen Winden geschüttelt. Wir beenden heute Freitag, 11.6., die Rundfahrt um die Halbinsel Vatnsnes. An deren Westseite folgt eine Sehenswürdig der anderen. Nördlich von Svalbarð halten wir bei der Hinweistafel und haben das "Schwein", auf den vorgelagerten Felseninseln auch wirklich ein paar Seehunde beim Ausruhen zu sehen zu bekommen. Den runden weissen Schafspferch der Hamarsrétt Farm direkt am Meer sieht man von der Strasse 711 aus kaum, er ist aber sehr fotogen wie auch der kleine weisse Leuchtturm mit roter Kuppe am Fusse des Porvaldsdfjall. In Hvammstangi vertreten wir uns die Füsse und besuchen wir das Selasetur, das isländische Robben-Zentrum. Bei Laugarbakki kommen wir ein weiteres Mal zurück auf die Ringstrasse 1, welcher wir 30km lang folgen. Staðarskáli ist nur ein Verkehrsknoten-Punkt mit Tankstelle, Touristen-Info, Restaurant und zu unserer Freude mit einem Hot Spot für Mails und Telefonanrufe nach Hause.
Wir verlassen ihn nach dem Mittagshalt und rollen via Bordeyri westwärts an den Hvammsfjörður. Da wir in nächster Zeit von Naturstrassen verschont bleiben werden, verwandelt Fredy unsern schmutzig-braunen Camper an der N1-Tankstelle in Buðarldalur wieder in einen gesellschaftsfähigen weissen Iveco. Auch wir selbst leisten uns eine ausgiebige Reinigung und weichen unsere Körper gratis und franko im runden Steinpool von Laugar ein. Nur zu zweit geniessen wir das 37oC warme Thermalwasser und müssen uns nach einer Stunde geradezu aufraffen, aus der wohligen Wärme in die kältere Umgebung (8oC) hinaus zu treten. Ein starker Wind hatte uns den ganzen Tag über begleitet und bleibt uns weiterhin erhalten. Wenigstens hat er im Gebiet des Gilsfjörður, den wir auf einem steinernen Damm überqueren, ein Loch in die Wolken gerissen. So kommen wir an unserem ersten Abend in der Region Westfjorde auf der kleinen Halbinsel bei Króksfjarðarnes in Genuss herrlicher Abendsonne, aber Steaks aus der Pfanne statt vom Grill wegen des Gelüftes.

Ein letzter Blick auf die in der Sonne farbintensive Küste der Landzunge Króksfjarðarnes. Für Reykhólar verlassen wir Route 60. Viel zu sehen gibt es da zwar nicht. Aber wir brauchen etwas Beweung und fangen nasse Füsse ein bei einem Marsch durch Feuchtgebiet, um die dampfenden Stellen, um schlussendlich nur Rinnsale von heissem Wasser aus der Erde dieses, wie es so schön heisst, geothermalen Gebietes von Nahem zu sehen. Dabei schrecken wir die zwischen den Grasbüscheln brütenden Wasservögel auf und werden von deren empörten Zeter und Mordio der Regenbrachvögel und Austernfischer begleitet.

Den ganzen restlichen Tag lang kurven wir in den wunderschönen Fjorden herum. Mal müssen wir sie umfahren, mal schneidet die Strasse sie mit einer kleinen Passfahrt ab. Wir bewegen uns meistens auf tadelloser Teerstrasse, und ausser einer kurzen Strecke um Skálanes herum, wo gerade daran gebaut wird, kommen wir auch auf den kurzen Naturstrassen-Teilstücken flott voran. Als Tagesziel zeichnet sich Flókalundur ab wegen des nahen 37oC warmen Hellulaug Pool, den wir mit einem Allgäuer Pärchen teilen.
Bislang haben wir den Gezeiten kaum Beachtung geschenkt. Der kleine Hagavaðall zeigt trotz sonnigem Wetter nichts von Himmelsblau sondern erscheint temporär wie trockengelegt. Beim am Ende davon situierten Pool von Krossholt können wir gut nein sagen zu einem Bad, da es sich um ein künstliches Schwimmbecken mit Wasser von kapp 35oC handelt. Auch der Sandstrand von Haukabergsvaðall ist zwar bildschön anzusehen, verlockt aber ebensowenig zum ins diesmal kalte Meerwasser zu steigen. Wir klettern auf unserer Route 62 danach bergwärts. In 400m Höhe auf dem Klefarheiðarskarð stehen wir zwischen Schneeflecken und neben einer zu vorsichtig Fahren mahnenden übergrossen Polizisten-Figur. Am Osafjorður schlagen wir die Naturstrasse 612 ein, passieren das verrostete Schiffswrack der "Gardar", welche 1981 hier strandete, und erreichen an felsigen Abhängen entlang Orlygshövn. Den Gründer der Flugzeug-Sammlung hat das Zeitliche gesegnet und der Betreiber anscheinend der Elan verlassen, denn der Hangar wird nicht geöffnet.Wir verweilen uns deshalb im gepflegten Volksmuseum Minjasafin Egils Olafssonar. Heute Sonntag wird im kleinen dazugehörenden Restaurant in Hnjóti ein Meeresgetier-Buffet angerichtet, dem wir nicht widerstehen können und herzhaft zugreifen.
Zuerst unternehmen wir den voraussichtlich unattraktiveren Abstecher nach Kollsvík. Die Schrägflächen der felsigen Hügel sind mit Gesteinsbrocken übersät, welche von einer dichten Moos- und Flechten-Schicht bedeckt sind. Jeder Schritt wird dadurch abgefedert und der Fussabdruck verschwindet im Nu wieder. In der sandigen Bucht ist nur noch ein Gehöft bewohnt. Die Weiden sind mager und werden fortschreitend eingesandet, so dass sogar die sonst obligaten Schafe hier fehlen. Da wir nun schon mal hier sind, machen wir den markierten kleinen Rundgang bis an den Strand hinunter, der uns ohne grosse "Highlights" aber wenigstens ausgelüftet wieder zurück zum Wagen bringt.

Das nächste Teilstück 612 bringt uns an den angeblich westlichsten Punkt von Europa, vorbei an Breiðavík nach Bjartangar. Ziel ist nicht der unscheinbare Leuchtturm sondern die Klippen von Látrabjarg, die wahrscheinlich jeder Island-Tourist besucht. Bereits auf den ersten paar Hundert Meter kommen wir so nahe an die Erdhöhlen der Papageientaucher an der Kante heran, dass man die gar nicht scheuen Tiere aus 1.5-2m Distanz fotografieren kann. Nur eine beschränkte Anzahl allerdings hockt da am Tageslicht, so dass die Präsenz der Touristen ihre Anzahl überwiegt! In den steilen Felswänden selbst auf kleinsten Vorsprüngen nisten unzählige Möwen und die schwarz-weiss gefrackten Tordalks.
Zum Uebernachten müssen wir 2km zurück nach Brunnanúpur, einem freien Campingplatz neben den spärlichen, längst verwaisten und überwachsenen Resten eines einstigen Fischerdorfes.
Auf geht's um 7.00h zurück zum Parkplatz am Bjartangar. Es tröpfelt nur leicht, aber die angedeutete Aufhellung lässt auf sich warten. Keine andere Menschenseele stolpert übers Gelände, doch die Papageientaucher wissen die Ruhe nicht zu schätzen. Ein einziges Viech nur kriecht aus der Höhle, macht etwas Morgentoilette und fliegt rücksichtslos weg. Wir vertreiben uns bei zügigen, regnerischen Wetter die nächsten Stunden im Camper und unternehmen im frühen Nachmittag nochmals einen weiteren Versuch. Inzwischen sind über ein Dutzend Fahrzeuge angerollt. Deren Insassen suchen krampfhaft nach den berühmten Vögeln, von denen sich nur mal zwei oder drei sehen lassen, wodurch das Missverhältnis beim lausigen Wetter noch grösser wird.
Wir brechen unsere Zelte hier ab. Auf der Rückfahrt stellen wir fest, dass ennet dem Hafnarfjal schöneres Wetter herrscht und trösten uns mit einer erneuten Einkehr, diesmal zu Kaffee und Kuchen in Hnjóti darüber hinweg. Kurzentschlossen entscheiden wir uns für ein Intermezzo über Route 614, um auch noch ein Auge auf den vielgelobten Sandstrand von Raudisanður zu werfen. Wir erleben eine herbe Enttäuschung und stehen an einer eher unscheinbaren Bucht im Kraut neben der Strasse. Vier Stunden später allerdings tut sich ein völlig anderes Bild auf. Es ist mittlerweile Ebbe, die Bucht ist nun praktisch wasserleer und voll goldenen Sandes.
Weit sind wir heute Dienstag mit 65km nicht gekommen. Erst müssen wir am Morgen auf unserer Fahrt ans südöstliche Ende des Bærvaðall eine Rettungsaktion starten. Ein Mutterschaf war über einen halb verborgenen Stacheldraht gestolpert und liegt auf dem Rücken mit allen Vieren von sich eingeklemmt zwischen Felsbrocken. Wären da nicht ihre zwei Lämmer hilflos daneben gestanden, hätten wir das Malheur gar nicht bemerkt. Zu zweit heben wir das Tier an den Beinen hoch und befreien es aus seiner misslichen Lage. Komplett erschöpft bleibt es vorerst wie ein Sack liegen, und als wir schon das schlimmste befürchten, rafft es sich auf und steht wenig später, zwar auf wackligen Beinen noch, schon wieder am Säugen der herbeigerufenen Jungtiere.
Bei erneuter Ebbe machen wir anschliessend von einem idyllisch gelegenen freien Rastplatz aus (den wir gestern Abend hätten finden sollen) einen Marsch dem Strand entlang und geniessen die satten Farben von Wasser, Sandbänken und erst noch blauem Himmel. Bis zur Mittagszeit kommen wir gerade mal nach Patreksfjörður, ein kleiner Hafen mit gut 600 Einwohnern. Hier haben wir aufgrund vieler eher vernachlässigter Gebäude den Eindruck, dass der Ort schon mal bessere Zeiten gesehen hat. Immerhin aber verfügt er über einen kleinen Supermarket für Frischwaren-Nachschub sowie eine Auto-Werkstätte, wo Fredy einen kleinen Reservehalter so abändern kann, dass er ihn als Ersatz für die gebrochene WC-Schubladen-Fixierung verwenden kann. 16km später bleiben wir an diesem Tag in Talknafjörður endgültig hängen. Wir stehen auf dem Campingplatz, hauptsächlich, weil er direkt neben dem warmen Freibad mit zusätzlichen heisseren Pools liegt, nebensächlich, weil hier Internetanschluss und eine Waschmaschine verfügbar ist.
Sonne wie selten. Also wird zum ersten Male in Island überhaupt draussen aufgetischt. Aber kaum haben wir den Morgen-Kaffee eingeschenkt, setzt ein Wind ein, der uns das Brot vom Tische weht und uns zurück in den Camper jagt. Ein kleiner Pass bringt uns rüber nach Bíldudalur. An Blumen ist die Landschaft hier noch nicht reich. Aber trotzdem erhalte ich bei einem Zwischenstopp von Fredy einen kleinen Strauss (man nehme die Zusammensetzung, "Chrottebösche und Schiessgelte" nicht persönlich!): unseren Hochzeitstag heute am 15.6. habe ich mal wieder glatt verschwitzt!

Heute ist Bilderbuch-Wetter. Eitel Sonnenschein und dadurch irr blaue Fjorde. In Reykjafjarður ein rechteckiges türkisblaues Becken, das wir aber verschmähen. Viel attraktiver und um ein paar Grad wärmer ist der daneben liegende Naturpool, den man in der stoppeligen Wiese fast übersieht. Rot wie gekochte Krebse entsteigen wir schliesslich dem 45oC warmen Thermalwasser. Obwohl wir noch ein gutes Stück Weg vor uns haben, wiederholen wir nach Fredy's längst überfälligen Haarschnitt und dem Zmittag die herrliche Bade-Erfahrung.
Route 63 und später 60 schrauben sich stetig in die Höhe. Zwischen 400 und 500m Meereshöhe von Helluskarð und Dynjandisheiði rollen wir schon mal an schmutzigen Resten von Schneefeldern und vielen kleinen Seen vorbei, bis wir uns schliesslich auf der zwischen den grau Steinfeldern und beiger Tundra-Vegetation auffallend ocker-farbenen Strasse dem Tagesziel nähern. In am frühen Abend idealem Sonnenlicht lassen wir uns vom grandiosen, gefächerten Fjallfoss Dynjandi beeindrucken, steigen rauf bis an den Fuss der riesigen Kaskade, die donnernd von einer 100m hohen, breiten Felskante zu uns hinunterstürzt. Da wir nun auf dem kleinen freien Campingplatz darunter übernachten begleitet uns das Tosen der Wassermassen bis in den Schlaf.

Wir beenden die Umrundung des Arnarfjörður auf Route 60. Hrafnseyrarheiði ist 552m hoch und wartet auf der Passhöhe noch mit beträchtlichen Schneemauern auf. Schon von da aus sehen wir auf den 367 hohen Sandafell, den Hausberg von Þingeyri, den wir eine halbe Stunde später zwecks Mittagshalt erklimmen werden, um nunmehr ein 360o Panorama um uns herum vorzufinden. Þingeyri am Dýrafjörður ist ein verschlafenes Kaff ohne jegliche Attraktionen, aber wenigstens einer Tankstelle. Von Flateyri am Onundarfjörður erwarten wir nicht mehr, weshalb wir es uns schenken.
Dafür zweigen wir im Tunnel durch den Þverfjal links nach Suðureyri ab. Dieser Fischerort soll, um Besucher anzuziehen, sich als grünes Reiseziel mit nachhaltigem Tourismus anbieten: Die nötige Energie wird allein aus Thermal- und andern erneuerbaren Quellen bezogen. Die Fischer sollen ausschliesslich traditionelle Fangmethoden anwenden, und es werde die Möglichkeit geboten, mit richtigen Fischerbooten raus auf den Atlantik zu fahren und deren Alltag kennenzulernen oder aber die Fischfabrik zu besuchen. Entweder finden diese Projekte erst in der absoluten Höchst-Saison statt oder wahrscheinlicher sind die guten Vorsätze bereits eingeschlafen, denn im Hotel, wo man das arrangieren könne, finden wir niemanden vor, der darüber Bescheid weiss. Der Gründer der hierzulande bekannten 66oNorth Outdoor-Marke stammt aus diesem Ort, hat aber seine Fabrikation mangels ausreichender Produktivität längst nach Reykavik verlegen, was wir ihm mit unserem Eindrücken von hier nachfühlen können. Für die Uebernachtung stehen wir etwas erhöht über der Keraík Bucht, vor uns zu Füssen die Oeffnung des Súgandafjörðurs auf den Atlantik hinaus.
Anderthalb Tunnel weite Fahrt, und schon sind wir in Isafjörður. Wir stoppen auf dem Parkplatz vor dem Touristen-Infocenter und bleiben schliesslich da auch gerade hocken. Ausser dem Volkskunde-Museum, dem Seefahrts-Denkmal, einem vergammelten Walknochen in einen kleinen ungepflegten Park und ein paar wenige der farbigen kleinen Wohnhäuser gibt es hier nicht viel zu entdecken. Heute geht es in dem kleinen Städtchen (ca. 2500 Einwohner) noch ruhiger zu als sonst, und die Geschäfte bleiben geschlossen: Island begeht den Unabhängigkeitstag (von Dänemark).

Um 20.00h ziehen wir nochmals unsere Jacken aus dem Schrank und trotten zum nahen Hauptplatz. Eigentlich wäre das unnötig, denn die ganz junge Band– und vor allem auch ihre Verstärker - gibt alles, so dass wir sie sogar im Camper hören können! Das Publikum ist mager. Ehrlich sind nur die kleineren Kinder. Sie halten sich ohne Hemmungen die Ohren zu. Im Anschluss an dieses Konzert nimmt dann der Verkehr zu. Wir beobachten vom Iveco aus immer wieder dieselben Autos oder Motorräder vorbeifahren und ihre Runden auf den wenigen belebten Strassen drehen um zu sehen und vor allem gesehen werden.
Während wir am Samstag-Morgen unsere Seele baumeln lassen, begeben wir uns dann am Nachmittag gut gegen Wind gerüstet auf das Boot, das uns zusammen mit zwei Dutzend andern Touristen auf die sich im Privatbesitz befindenden Insel Vigur bringt. Da sieht man Hunderte, Tausende von Papageientauchern vor ihren Erdhöhlen hocken oder nahe dem Ufer im Wasser schaukeln. Es folgt mit einer Führerin ein etwa einstündiger Rundgang, da der Bauer verhindern will, dass man wahllos durchs Gelände streift und die zur Zeit brütenden Eiderenten stört. Trotzdem stolpert man manchmal wegen ihrer seltsamen Platz-Wahl fast über ein Nest. In einem Gelege gar direkt unter der Plattform mit der Mini-Windmühle, die ganz bestimmt jeder Besucher betritt, hat schon ein paar geschlüpfte Küken, während das letzte hart daran arbeitet, mit dem Schnabel die Eischale zu öffnen.Kaffee und Kuchen werden auf dem Farmhof vor der halbstündigen Rückfahrt aufgetischt. Auch am Abend bleibt bei uns die eigene Küche geschlossen. Im Tjöruhisið direkt neben dem Museum bedienen wir uns am berühmten Fisch-Buffet.
Wir haben uns in GPS-Daten und Reiseführern schlau gemacht und der Entscheid ist gefallen. Wir wollen in der Nacht auf den längsten Tag die Sonne direkt im Meer versinken sehen. Die Wettervorhersage ist günstig. Sonne für die folgenden zwei Tage mit zwei mehr oder weniger klaren Nächten ist angesagt.

Auf Route 61 sammeln wir Postkarten-Bilder, während wir fünf Fjorde (Alftafjörður, Seydisfjörður, Hestfjörður, Skötufjörður und Isafjörður) umfahren und einzig den Mjófjördür auf einer neueren Brücke überqueren können. Immer wieder stoppen wir, um diese Eindrücke fotografisch festzuhalten, sei es ein tolles Panorama, Wasserfälle zum Teil direkt an am Strassenrand und natürlich in den Meeresarmen leuchtend sattblaues bis türkisfarbenes Wasser je nach Tiefe. Da langsam Ebbe einsetzt, erheben sich zusätzlich dunkle Felsen aus dem Nass und mit ihnen die olive- bis goldfarbenen Algenbänke, welche einen zusätzlichen Farbakzent setzen. Im Skötufjördur liegen gar faule Seehunde auf einer dieser temporären Insel. Ansonsten sind die Uferstreifen voller Wasservögel und in den Böschungen brüten überall Eiderenten.
Das künstliche Wasserbecken von Reykjanes neben einem noch nüchternen Hotelkasten, einem ehemaligen Internat, vermag uns nicht zu einem Bade verlocken. Wie aus Rache goutiert dieTanksäule da Fredy's EC-Karte auch nicht,und wir müssen den Dieselkauf verschieben. Nach Gröf fahren wir durch ein ausgedehntes Seengebiet mit vielen kleinen Wasserläufen. Auf der Hochebene Steingrímsfjardarheiði auf gut 400m rollen wir zwischen Schneefeldern hindurch, und selbst der Margrétarvatn trägt noch eine fast intakte weisse Decke. Seit dem erneuten Tankversuch, diesmal in Hólmavik, ist Fredy nun maestro-mässig wegen gesperrter Karte mir ausgeliefert. Er hatte nämlich vergessen, dass wir seinen jahrzehnte-alten PIN-Code für Island speziell auf vier Stellen abgeändert hatten, die isländischen Kommentare auf dem Bildschirm nicht verstanden und munter immer wieder seine alte Kombination eingegeben.
Der Endspurt des heutigen Sonntages führt uns über Erdstrasse 643 nordwärts. Geniessen wir erst noch Sonne, bewundern die Fossá-Fälle, die bilderbuchmässige Kaldbaksvík-Bucht, müssen wir uns langsam eingestehen, dass bei der zunehmenden Menge grauer Wolkenbänder am Horizont über dem Húnaflói uns kaum wie geplant einen Bilderbuch-Sonnenuntergang zuteil werden wird. Die verlassenen Gebäude und Anlagen der einstigen Hering-Fabrik von Djúpavik stehen doppelt so trostlos am Reykjarfjörður. In der letzten Bucht von Norðurfjörður verschwindet auch der letzte Hoffnungsschimmer.

Da kann uns nur noch ein entspannendes abendliches Bad im Krossneslaug trösten. Bevor man jeweils in solche Pools steigen darf, ist eine gründliche Körperreinigung in nacktem Zustand durchzuziehen und oftmals eine aufgestellte Kasse zu äuffnen, hier mit bescheidenen ISK 350.- pro Person. Den ganzen Abend lang finden sich selbst hier am Ende der Welt immer wieder Leute zu einem abendlichen Bad ein, Einheimische von Gehöften oder aber Touristen aus den paar Gistiheimilið der Umgebung. Auch ein zweiter Camper stellt sich ein, Heiko und Heike Lenze aus Dresden in ihrem Unimog.
Auch am folgenden Tag zerreissen wir keine grossen Stricke. Ausser einem 1,5-stündigen Spaziergang zu den bizarren Felsnadeln weiter westlich am Strand und etwas" töggelen" am Laptop ist Lesen und natürlich im 40oC warmen Thermalwasser herumhängen (Schwimmen verursacht nur Transpiration!) Trumpf. Am Abend nimmt ein anderer Camper, der Iveco von Raphael und Olga, den wir schon in Akureyri getroffen haben, den Platz neben uns ein.
Mein Natel vibriert und hüpft fast im Schrank herum ob der vielen SMS-Glückwünsche zu meinem Geburtstag am längsten Tag. Mein Göttergatte ist extra früh aufgestanden, denn bei der lokalen mageren Vegetation ist es gar nicht einfach, mir mit einem Blumenstrauss zu gratulieren, ja nur schon überhaupt zu Blümchen zu kommen. Den Rückweg müssen wir über denselben Weg wie hergekommen antreten. Als wolle man uns verspotten, bessert sich unterwegs das Wetter rapide. Als wir in Drangsnes den Mittagshalt einschalten kommt richtig Sommerferien-Stimmung auf. Beim Eintauchen in die drei kostenlosen kleinen Pools mit verschiedenen Temperaturen mitten im Ort gerade neben der Durchfahrtsstrasse am Meer kann man sich ja dem allgegenwärtigen kalten Wind entziehen.
Anschliessend kommen wir nur noch etwa 25km weiter bis nach Hólmavík, wo Fredy Waschmaschine und Tumbler des Campingplatzes strapaziert. Zur Feier des Tages werde ich ausgeführt: Erst zum Nachtessen ins einzige Restaurant, dem Café Riis, an der Hafnarbraut (isländische Forellen mit Mango-Chutney und Pistazienkernen hatten wir bis anhin noch nicht gekostet – und sie schmecken herrlich) und anschliessend ins Kino (d.h. ich darf den Film auswählen, den wir im Anschluss uns im Camper am Laptop ansehen).
Wir bleiben der Strasse 68 erhalten, da schon nach wenigen Kilometern auf der Abkürzung 690 über Steinadalsheiði das Schild "impassable" den Wegrand ziert. Der Kreis durch die Westfjords schliesst sich im wahrsten Sinne des Wortes, indem wir erneut auf der Nr. 59 über Laxárdalsheiði rollen müssen. Auf diesem Teilstück wartet richtiggehend Arbeit auf Fredy. 13 britische Campern gondeln selbstvergessen als Mitglieder einer organisierten Gruppenreise durch die Gegend und wollen so überholt sein, dass sie nicht zu Tode erschrecken, da sie unser Annähern in ihren rechtsgelenkten Fahrzeugen gar nicht wahrgenommen haben.
Auf Route 54 bringt uns westwärts auf die etwa 100km lange Halbinsel Snaefellsnes. Ueber die etwa 2'500 grösseren und kleineren Inseln im Breiðafjöður sehen wir in nördlicher Richtung bis zum bereits besuchten westlichsten Punkt unserer Reise, Látrabjarg, hinüber, bis sich dann die Landzunge mit Stykkishólmur ins Bild schiebt. Eine Stunde später spazieren wir bereits durch den Hauptort mit seinen 1'100 Einwohnern dieses ebenfalls dünnbesiedelten Landesteils. Dabei erfreuen wir uns der warmen Sonne bei frühsommerlichen Temperaturen von an die 20o. Natürlich spaziert die Lokalbevölkerung bereits in Hemd oder T-Shirt herum, wogegen wir immer noch in - wenn auch dünneren – Jacken zur Vatnasafn unterwegs sind. Bei diesem Wasser-Museum handelt es sich um eine künstlerische Installation mit 24 Klarglas-Säulen, je gefüllt mit Wasser der grössten Gletscher Island's, die der Lichteinfall sowie die durch sie hindurch sichtbaren Gestalten der Besucher zu Leben erweckt. Mit einem abschliessenden Blick vom Basaltfelsen ennet des Hafens, der Halbinsel Súgandisey, beenden wir den heutigen Bummel und ziehen uns in den Camper, den wir direkt neben den Fischerstegen geparkt haben, zurück. Fredy opfert sich und pilgert nach Mitternacht nochmals zum Leuchtturm hinüber, denn auch wenn es nicht dunkel wird, versinkt die Sonne, wenn auch nur für relativ kurze Zeit, doch in herrlichen Farben hinter dem Horizont.
Die Pöstler hier in Stykkishólmur sind vergleichsweise wahre Frühaufsteher und rücken schon um 9.ooh aus. Die moderne, den Ort von ihrem Hügel neben dem Hotelkasten überblickende Kirche öffnet die Pforten für ihre Schäfchen um 10.ooh, das Vulkan-Museum lässt sich Zeit bis 11.ooh. Dem Fass den Boden schlägt der Bónus Supermarket aus. Als einziger Lebensmittel-Laden am Ort kann er es sich leisten, erst am Mittag seine Versorger-Rolle aufzunehmen, weshalb ihm unsere isländischen Kronen entgehen. Etwas zu essen, oder besser gesagt zu kosten, erhalten wir ja schon eine halbe Stunde nach Wegfahrt in Bjarnarhövn. Wir besuchen da ein Gehöft, das seine Haupteinkünfte aus dem Verkauf von Hákarl (vergorenem Haifisch-Fleisch) erzielt. Während die frühesten Generationen dieser Familie noch in einem hölzernen Boot zu Sechst auf die winterliche See hinaus ruderte, um ein Exemplar des Grönland-Hais zu fangen, werden diese Fische heute ab einem Fischtrawler gekauft. Lange verarbeitete man nur die ausserordentlich grosse Leber und gewann daraus Oel für Lampen. Entgegen der Haie aus warmen Gewässern ist das frische rohe Fleisch dieser Gattung hier, die in null-grädigem Wasser existieren kann, ungeniessbar, ja giftig. Zwei Monate lang werden deshalb ca. 5kg schwere Fischstücke erst vergraben, während welcher Zeit eine Art Fermentation stattfindet, und anschliessend ein halbes Jahr im Freien zum Trocknen aufgehängt, damit sich das angesammelte Ammoniak verflüchtigten kann. Gewonnen wird ein gewöhnungsbedürftiges halbhartes Produkt, das man als Fisch zu essen beginnt und nach dem Kauen als eine Art Limburger hinunterschluckt.
Ueber dem Berserkjahraun sollen der Sage nach noch immer die Seelen der toten Berserker, grimmiger Wikinger aus Norwegen, die einst um ihren Lohn für geleistete Landarbeiten betrogen wurden, geistern. Wir spüren nichts davon sondern sitzen inmitten dieser bizarren Gegend eines 4'000 Jahres alten Lava-Felds unbehelligt im Windschatten des Campers erstmals über Mittag draussen im Sonnenschein.
Grundarfjörður wartet mit seinem Hausberg, dem markanten, 436m hohen Kirkjufell direkt am Meer auf. Etwa gleich gross ist Olfasvík, wo im Hintergrund der schneeweise Peak des die Halbinsel dominierenden, 1446m hohen Vulkans, Snaefellsjökuls, aufragt. Diese beiden Orte wie auch das kleine Rif, wo wir für Kaffee und Kuchen einen Zwischenhalt einlegen, präsentieren sich als wohlhabende Gemeinden mit peinlichst sauberen Strassen und gut unterhaltenen Häusern. Wir versuchen einen schönen Uebernachtungs-Platz am Strand zu finden und scheuchen auf den Seitenstrassen nur zögernd und schwerfällig wegfliegenden Küsten-Seeschwalben auf, von denen bis zu 20'000 Paare in dieser Region leben. Unsere heutige "Wohn"-Gemeinde, Hellissandur, sieht deutlich ärmlicher aus, bietet uns dafür aber einen Standplatz direkt am Strand mit tollen Sicht über schwarzem Lava-Sand hinaus aufs Meer.
Der Freitag, 24.6. ist ein verhältnismässig strenger Tag. Der Snæfellsjökull National Park hält uns auf Trab. Ständig heisst es raus aus und rein in den Camper, der Küste entlang hin und her, durch Lavafelder hindurch oder hinüber, Hügel rauf und runter.
Unweit von unserem Uebernachtungsplatz warten schon die Fiskibyrgi (Fischburgen) darauf, von uns entdeckt zu werden. Im 13. und 14. Jht. benutzten die ansässigen Fischer die aus Lavasteinen aufgeschichteten über 200 Fischlagerhütten als Verstecke vor den Piraten. Wo sich die Ueberreste der dazu gehörigen Fischtrocknungsanlagen in der Nähe des "höchsten Bauwerks" Island's (so benannte ein Scherzkeks die 412m hohe Antenne der Wetter- und Radardstation von Gufuskálar) befinden sollen, blieb uns dafür verborgen.

Skardsvík ist eine hübsche Bucht auf dem Weg zum Miniatur-Leuchtturm von Ondverðames. Attraktion hier ist ein  unterirdischer Frischwasserbrunnen (Falkí) einer früheren Fischersiedlung. Durch zerklüftete Lavaschichten führt uns die kleine Stichstrasse 579 zum Leuchtturm Skálasnagi. Ihn umgeben hohe schwarze Lavaklippen, in denen Eismöven und Eisturmvögel lärmend brüten. Dann verlassen wir das Neshraun-Lavafeld, drehen landeinwärts und halten auf den Snæfellsjökull zu. Schneefelder auf der Piste auf gut 500m bringen uns noch ein gutes Stück unterhalb der ganzjährlichen Schneekappe zum Stillstand, gerade rechtzeitig, um Mittagsrast einzuschalten. Frisch gestärkt marschieren wir danach auf den Sjónsthóll, durch Bewuchs fast nicht mehr als Krater erkennbar, und schauen zum heutigen Ausgangspunkt an der Nordküste hinunter. Wir preschen auf die Krete des Hreggnas um westwärts auf Meer zu gucken, besuchen den Klukkufoss Wasserfall und runden die Abstecher mit der Besichtigung der Eyvindarkóla, vom durchfliessenden Bach verschliffene Lavaspalten, ab.
Die Zeit ist bei diesen Unternehmungen nur so verflogen, fast unbemerkt, weil es ja gar nie dunkelt. Auf der Hauptstrasse 574 rollen wir zügig durchs nächste Lavafeld, das Beruvíkurhraun. Bei Djúpalónssandur wollen wir eigentlich uns nur nach einem Standplatz umsehen. Von einem wenig geeigneten da viel besuchten Parkplatz aus führt ein steiler Weg hinunter an einen irren Standabschnitt: Von zerklüfteten Lavafelsen eingerahmt öffnet sich eine flache, mit von Wasser rund und glänzend gewaschenen Lava-Steinen bedeckte Bucht. Ein klarer kleiner Lagunensee zeigt sich farbenprächtig und lässt die Umgebung darin spiegeln. In Sichtweite des Leuchtturms zu Malarrif haben wir schliesslich Erfolg und lassen uns an etwas westlich davon nieder.

In warmen Kleider fassen wir für die Führung durch die Vatnhellir des 4000-jährigen Purkhólahraun Lavastroms um 10.ooh am Samstag-Morgen Helm mit Kopflampe plus einen Gürtel mit Zusatzstrahler. Für eine Stunde lang tauchen wir über eine Spiraltreppe in zwei Etappen ca. 30m unter die Erdeoberfläche und lauschen in der Lavaröhre den von vielen Saga-Elementen geprägten Erklärungen unseres Guides.
Die 60 und 75m hohen Ueberreste der Vulkan-Schlote in Lóndrangar wollen noch von Nahmen bestaunt werden bevor wir weiterfahren. Hellnanes und Arnarstapi dienen mit Ferienhäusern, Campingplatz und kleinen Restaurants vor allem der Unterbringung von Touristen. Route 574 zieht vorbei an der sandigen Breiðavík Bucht und dem Boðahraun Lava-Feld und mündet in die Hauptverbindung 54 von Olafsvík her. Wir folgen der Küstenunmehr ostwärts. Von Einsamkeit kann beim Kirchlein von Buðir heute wegen eines Familienfestes gar keine Rede sein, deshalb verschieben wir den Mittagshalt nach Ytri-Tunga, wo wir auf den schwarzen Lavasteinblöcken bis auf 25m an eine Gruppe faulenzender Seehunde rankommen.
Mit nur noch einem letzten Zwischenhalt bei Gerðuberg, wo besonders schöne Basaltsäulen zu Tage treten, rollen wir durch eine grüne Ebene mit vielen kleinen Seen, aber auch landwirtschaftlich genutzem Land zwischen Hügel und Kratern vulkanischen Ursprungs durch Myra nach Borgarnes. Wir erreichen den 1'975-Einwohner-Ort gerade rechtzeitig, um vor dem Feierabend und Wochenende im Nétto-Supermarkt unsern Kühlschrank auffüllen zu können. Und wie so oft, wenn wir wieder "bei den Leuten" sind, benutzen wir die Gelegenheit und tafeln im gepflegten, dem Landnahmezentrum angeschlossenen Restaurant ausgezeichnet: Smoked Horse Meat Tartar mit Horse Radish auf dem dunklen, mehr gedämpfen als gebackenen pumpernickel-ähnlichen Brot, Seawolf auf Couscous-Bett mit Wok-Gemüse und zum Nachttisch feinen Skyr (eine Art isländischen Rahmquark).
Borgarnes hat eine grosse Sehenswürdigkeit, das Landnámssetur (Landnahmezentrum) Islands in einem restaurierten alten Lagerhaus. Wir fassen einen Audioguide und werden eine halbe Stunde lang eingehend erst über das Leben und Wirken des Skalden-Dichters und Verfasser der Egils Saga, Egill Skallagrímsson, informiert. Die einzelnen Szenen sind eindrücklich in natürlichen Materialien dargestellt, die Hauptfiguren hauptsächlich aus roh zusammengesetzten vierkantigen Holzstücken gestaltet und Gruppenbilder zusätzlich aus Ton geformt. In einer weiteren halben Stunde erhalten wir Einblick in die Entdeckung und Besiedelung und als Landnahme Island's zwischen 870 und 930 durch die aus Norwegen eingewanderten Wikinger.
Erstmals seit langem reisen wir wieder auf der hoffentlich nur wegen des Wochenende so stark befahrenen Ringstrasse Nr. 1. Wir widmen uns weiteren "Perlen der Natur", wie es der kleine offizielle Reiseführer Westislands empfiehlt. Wir drehen eine Runde auf dem grössten von drei Kratern in einer vulkanischen Spalte in der Region Borgarfjördur. Einen steilen Aufstieg mit 600 Stufen müssen wir überwinden, bis wir vom 173m hohen Grábrók aus in Genuss der tollen Aussicht über die Umgebung kommen. Ebenfalls bei Bifröst bietet der Fluss Norðurá ein weiteres Natur-Schauspiel, den Gianni Wasserfall. Wasser ist ebenfalls das Thema bei der Deildartunguhver Quelle. Plubbernd und dampfend spritzen leicht schweflig riechende 180 l Thermalwasser pro Minute 100o C heiss aus der Erde. Hier werden sie gefasst und 74km entfernt und neben Hvanneyri und Borgarnes in Akranes zur Fernheizung verwendet. Der Weg des Heisswassers dahin durch eine oberirdische Pipeline dauert ca. 24 Stunden und resultiert in einen Temperaturverlust von 20o C. Die Erdkruste ist in dieser Gegend besonders dünn. Es gibt unzählige andere heisse Quellen, welche genutzt werden, um die Gewächshäuser dieser Region zu beheizen.
Am Abend stehen wir im geschichtsträchtigen Reykholt unweit seiner alten Holzkirche. Hier verfasste der Historiker Snorri Sturluson (1179-1241 viele seiner wichtigsten Werke wie die Prosa-Edda (ein Lehrbuch für Skalden), die Heimskringla (eine Geschichte der norwegischen Könige) und schrieb die Egils Saga, die wir heute Morgen kennengelernt haben, nieder. Selbst sein Badeplatz, Snorrilaug, blieb hier erhalten, lädt aber mit bescheidenen Temperaturen nicht zum Bade ein
Erster Tageshalt schon an Route 518. Auf eine Breite von einem Kilometer quellen kleine Wasserfälle aus dem umliegenden Lavafeld in den Fluss Hvitá, und die Kaskaden Hraunfossar (Lava-Wasserfälle) sollen zu den schönsten Island's gehören. Beim benachbarten Barnafoss zwängt sich eine blau-weiss schäumende Wassermenge durch einen engen Spalt und unter einem kleinen Felsbogen hindurch.
Húsafell ist ein Erholungsort für Städter, hat minimalste Infrastruktur, aber einen riesengrossen Camping. Durch die niederen Birkenwäldchen und Büsche weht zwar ständig ein kräftiger Wind. Trotzdem errichten viele Isländer auf gepachtetem Land kleine Holz-Ferienhäuschen oder mieten sie von einer Vereinigung. Das Info-Büro ist nicht besetzt. Im kleinen Laden daneben versichert man uns, dass es "nächstens" öffne, und - nach einem Blick auf seine Uhr – kann der Verkäufer kaum seine Ueberraschung über die Verzögerung verbergen und doppelt deshalb zur Sicherheit nach: "zumindestens heute noch". Nun, darauf wollen wir nicht wetten oder warten. Unsere erste Frage beantwortet sich weniger später von selbst. Wir kommen an der Einmündung von der beabsichtigten Route 550 vorbei und erfahren, dass sie immer noch nicht durchgängig und nur auf ein Stück von 7km befahrbar ist. Was die berühmten Lavahöhlen Stéfanshellir und vor allem Surtshellir betrifft, so finden wir diese aufgrund des vorhandenen Infomaterials auch allein an Route 578. Zwei Stunden lang kraxeln wir über Lavafelsen aller Grösse durch die 5-10m hohen Lavaröhren und kommen dank Kopf- und Taschenlampe durch dunkle Tunnel und zweimal bei Einbrüchen mit Schnee- und Eisfeldern ans Tageslicht. Da ich mich nicht traue, von einem wackligen Stapel aufgeschichteter Lavabrocken mich an die Erdoberfläche ins Freie zu ziehen, müssen wir dieselben Hindernisse rückwärts erneut überwinden.

Das gute Wetter hat ja gestern ein Ende gefunden. Vor allem über dem Hochland ist Regen, ja sogar wieder Schnee angesagt und ein Blick in diese Richtung verspricht selbst Optimisten auch nichts Besseres. Unter starker Bewölkung legen wir doch noch einige Kilometer zurück, erst auf tadelloser Erdstrasse 523 dem Hvitá entlang, dann bequem auf Teer von Nr. 50, bis wir am südlichen Ufer dem Fluss Grimsá folgen. Zum Tagesabschluss werden wir mit einem warmen Bad im kleinen natürlichen Krosslaug belohnt. Der runde Pool hat nur etwa 2m Durchmesser, und wir wirbeln beim Reinsteigen im Adamskostüm etwas dunkelgrüne Algenfetzen auf. Das Wasser fühlt sich samtweich, ja seifig auf der Haut an und die 42o C vermitteln totale Entspannung.

Vorbei am Uxavatn und dem Sandkluftavatn später bereits auf Route 550 stossen vor wir zum sogenannten "Golden Circle" vor. Dieser Begriff umfasst die Sehenswürdigkeiten Island's, welche ein "Muss" sind. Entsprechend befinden wir uns inmitten von Bussen auf den Park- und Horden von Touristen auf den Schau-Plätzen. Die Senke von Þingvellir liegt in der aktiven Vulkanzone der Insel über einem tektonischen Bruch. Wegen dem langsamen Auseinander-Driften der nordamerikanischen und der eurasischen Platte zwischen 1 bis 18mm pro Jahr klaffen im Boden gefährliche Spalten wie beispielsweise die beeindruckende Almannagjá. Seit 1928 steht die Ebene unter Naturschutz, ist der älteste isländische Nationalpark und wurde 2004 zu Unesco-Weltkulturerbe erklärt. Wir entnehmen im Visitor Center modernen elektronischen Audiogerädten die geografischen und geschichtlichen Hintergründe und spazieren anschliessend durch das historische Gelände.
Þingvellir wird auch die alte Hauptstadt genannt, war es doch von 930 bis 1798 Sitz der Regierung. 930 fand hier das erste Alþing der isländischen Goden (Vertreter der regionalen Þing [=Versammlungen] undFamilien-Verbände) statt. Die Wahl fiel auf Þingvellir (Parlamentsfelder) als Kreuzpunkt vieler damaliger Reiserouten, mit ausreichend Platz, Wasser, Weideland und Brennholz für die Menschen sowie hervorragender Akkustik am Fusse des Almannagjá-Abbruchs. Fortan wurden am Lögberg Gesetze erlassen, Streitigkeiten geschlichtet und Recht gesprochen. Am Ostrand des Abbruchs wurden Urteile auch vollzogen, Frauen welche schwere Verbrechen begangen hatten wie Kindsmörderinnen und Ehebrecherinnen im tiefen Flussbecken ertränkt, Männer wegen Hexerei in einer tiefen Spalte verbrannt. Die Machtkämpfe zwischen Anführern brachten schliesslich dieses alt-isländische System der Thingstätte zum Erliegen, die norwegische Krone übernahm die Zügel und entzog 1271 sämtliche politischen Befugnisse, weshalb bis 1798 hier nur noch Gericht gehalten wurde. Zwar trat das jährliche Alþing 1843 wieder in Kraft, wurde aber nach Reykavik verlegt.
Laugarvatn wird zwar von der heissen Quelle Vigðalaug gespiesen, aber da das Seewasser keine Wirkung davon zeigt, beschränken wir uns auf den Mittagsimbiss an dessen Gestaden. Heisser geht es bei Geysir zu. In regelmässigen Abständen von etwa 10 Minuten schiesst aus dem Strokkur Wasser 10-20m in die Höhe. Sein grosser Bruder, der Grosse Geysir, hatte seine Aktivität schon mehrere Jahrzehnte lang eingestellt. Nach einem Erdbeben der Stärke 7 am Nationalfeiertag 2000 nahm er unerwartet seine Tätigkeit wieder auf. Aus seinem 120m tiefen Schlund spritzten einst mehrmals am Tag bis zu 60m hohe Wassersäulen. Heute sind sie selten geworden und höchstens noch einige Meter hoch.
Die Bäuerin Sigriður Tómasdóttir, auf deren Hofland der Wasserfall lag, wehrte sich vement gegen seinen Verkauf an ausländische Firmen für ein Kraftwerk zur Stromerzeugung. Heute gehört das Gelände dem Staat und steht seit 1974 unter Naturschutz Der Gullfoss besteht aus zwei Wasserfällen, der obere 11, der untere 21m hoch. Der Hvitá (weisser Fluss nach seinem milchigen Wasser genannt) entspringt dem Langjökull und stürzt tosend in die 32m tiefe Schlucht hinunter. In den feinen Regentröpfchen der Gischt bricht sich auch heute das Sonnenlicht, und immer wieder entstehen je nach Lichteinfall an verschiedenen Stellen herrliche Regenbogen.
Um zum Kuálaug zu kommen nehmen wir auf F333 erst zwei nicht sehr tiefe Furten und dann das Nordstück einer scheusslichen F338 über spitzes Lava-Gestein in Kauf. Dann beim Augenschein des einen halb verlandeten runden und einer Miniatur von einem ovalen, nicht sehr warmen Pool von geringer Tiefe mit fast mehr Algen als Wasser, schwindet allerdings unsere Lust auf ein Bad. Der Vorteil unseres heutigen Standplatzes in deren unmittelbaren Nähe: wir stehen im Windschatten der kleinen, von grossen Bäumen umgegebenen Kirche von Haukadalur.

Wir können nicht anders! Als wir heute via Routen 35 und 32 auf die Nr. 35, und damit vom Hvíta zum Pjórsa, der mit 230km längste Fluss Island''s, hinüberwechseln, müssen wir erstmals hinter den Scheiben die tiefvergrabenen kurzärmligen T-Shirts hervorklauben. Wir gondeln derweil durch grüne Wiesen - zu saftig für Schafe wie es scheint - denn vorwiegend stehen wieder Isländer Pferde oder sogar Milchvieh auf den Matten. Die Felder, von modernsten Maschinerie bearbeitet, sind riesig, die dazugehörigen Gehöfte stattlich. In der Pjórsaladur besuchen wir das landes-grösste Wasserkraftwerk Búrfellsstöð. In seiner interaktiven Ausstellung werden die verschiedenen Werke des Staatsbetriebes vorgestellt, die Prozesse zur Gewinnung von Elektrizität erklärt und viel Wert gelegt auf die Feststellung, dass es sich um Strom aus erneuerbarer Energie handelt. Eine komplett andere Welt ist in Pjóðveldisbærin vertreten. Hier ist das Wikinger Langhaus aus Stöng rekonstruiert worden. Da gerade Erneuerungen anfallen, können wir den Handwerker zuschauen, wie sie Wände und ein Teil des Daches mit neuen Torfplatten, aus denen dann wieder frisches Gras spriessen soll, fachmännisch reparieren.
Der Rückweg über Naturstrasse, das südlichste Stück der Piste 26 auf der entgegengesetzten Flussseite in südwestlicher Richtung ist dann wieder einmal von Kargheit geprägt. Wir befinden uns bereits im Einzugsgebiet des immer noch aktiven, zur Zeit aber sich still verhaltenden Hekla-Vulkans. Von unserer Warte aus sieht der 1'491m hohe Krater mit seiner schmutzigen Schnee- und Firn-Kappe gar nicht gefährlich aus. Sein letzter grosser Ausbruch ereignete sich 1980. Er stiess eine 15m hohe Aschenwolke aus, wodurch selbst in 230km Distanz die Ascheschicht noch 1mm hoch war. Die ausgetretenen über 100 Mio. m3 Lava bedeckten eine Fläche von 22km 2, und der Krater selbst erhöhte sich um 30m.
Pünktlich um 17.ooh nehmen wir unsere Verabredung in Selfoss wahr. Wir treffen Raphael und Olga wieder, um eine gemeinsame Weiterfahrt ins Hochland zu erörtern. Es zeigt sich aber, dass die Vorstellungen über eine mögliche Pistenwahl weit auseinanderklaffen. Die beiden sind darauf aus, nur aus Plausch verschiedenste Tracks, auch Sackgassen, abzufahren, um ohne Rücksicht auf Verluste sprich Schäden das echte 4x4-Gefühl zu erleben. Wir dagegen wollen uns mehr oder weniger an die F-Pisten halten und dabei eine sinnvolle Rundfahrt absolvieren. Deshalb trennen sie unsere Wege wieder. Noch immer sind zudem bis heute 29. Juni keine durchgehenden F-Pisten freigegeben worden wegen des schlechten Sommers hier. Offen sind einzig ein paar wenige touristische Teilstücke, auf welchen die Tour-Operators ihre Kundschaft zu kurzen Hochland-Trips hinfahren. Also haben wir alle Zeit der Welt, erst einmal thailändisch essen zu gehen und anschliessend das kurze Stück südlich ans Meer zu fahren. Den ehemaligen Fischerort Eyrarbakki, der leider nicht direkt am Wasser sondern hinter einem Schutzdamm liegt, durchfahren wir im abendlichen Sonnenlicht. Im Olfusá-Mündungsgebiet finden wir dann einen traumhaften Standplatz auf einem felsigen Vorsprung in einem Meer von blau-violetten Lupinen.
Hveragerði ist heute Trumpf. Der Campingplatz verfügt leider entgegen der Werbung über keine Waschmaschine mehr, aber der Ort ist sehr anziehend. Seine Sehenswürdigkeit besteht im Pjóðveldisbærin, einem Geothermischen Park inmitten der Ortschaft, in dem es fast mehr dampft und sprudelt als beim Geysir. Der hier daraus seit 1950 gewonnene feine Schlamm ist bekannt für seine heilende und entspannende Wirkung und findet Anwendung in einer grossen Reha-Klinik. Wir stehen seit Mittag auf dem Parkplatz des schönen Sundlaug und geniessen dessen Vorzüge, ein beheiztes Freibecken, zwei Hot Pools sowie ein naturbetriebenes Dampfbad.
Noch ein Besuch der modernen Geothermal Power Plant an der Ringstrasse Nr. 1 auf Hellisheiði am nächsten Morgen. Leider hat das Wetter ins Trübe umgeschlagen. Die Dämpfe kriechen nahe dem Boden und verdecken fast die topmoderne Energy Exhibition. Es wurden keine Kosten gescheut, um den Besuchern mit Touch Screen und einer kurzen Führung durch einen jungen Mann die kombinierte Heisswasser-Gewinnung aus 2'000m Tiefe und die damit umweltfreundliche Stromerzeugung nahe zu bringen, welche auch die auf uns wartende Hauptstadt Reykjavik mit Strom und Heizwärme versorgt.
 
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Island II / IMG2265-IMG6551

 

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