30. August-14. September 2008 Argentinien IV/ Posadas-Mercedes-Santa Fé-Rosario-Buenos Aires

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Eine moderne Haengebruecke, die man aus was fuer unerklaerlichen Gruenden auch immer nicht photographiert haben will, bringt uns am 30. August aus Paraguay zu unserer letzten Einreise nach Argentinien. Wir achten in Anbetracht der baldigen Ausreise per Schiff darauf, Stempel in beide Paesse und das Fahrzeug-Dokument korrekt ausgestellt zu erhalten. In Posadas selbst halten wir uns nicht auf. Die Strassenpolizei-Kontrolle der Provinz sind beruehmt beruechtigt und manch einer hat eine ueberhoehte Busse bezahlt, weil er entweder kein Schild mit der fuer das entsprechende Fahrzeug zutreffenden Hoechstgeschwindigkeit am Heck, keine reflektierenden Streifen an der Carrosserie, ohne Pannendreieck, Feuerloescher oder gar Versicherung unterwegs war. Genau dies kontrolliert eine unfreundliche Beamtin wenig ausserhalb der Stadt an Ruta 12 und laesst uns, da alles vorhanden, ungeschoren weiterfahren.
In der Umgebung der grossen hydroelektrischen Anlage von Ituzaingó wimmelt es nur so von Stromleitungen. Auf der linken Strassenseite sehen wir die Auslaeufer des argentinischen Pantanals, der Reserva Natural del Iberá. Wir machen einen Abstecher an die 20km ins Feuchtland hinein. Die Naturstrasse ist von Rinderfarmen gesaeumt und Weiden wechseln sich mit wenigen Feuchtflaechen und noch weniger Wasservoegeln und schon gar keinen Schlangen oder Kaimanen ab. Wir schlagen frueh unser Lager auf und geniessen den spaetnachmittaeglichen Sonnenschein, bevor in der abendlichen Uebergangszeit Moskitos aktiv werden, aber von der mit dem Untergehen der Sonne empfindlich zu sinkenden Temperaturen vertrieben werden.

Sonntaeglich spaet starten wir und umfahren die Esteros de Iberá westlich. In Loreto, Santa Rosa und Angua sind die Leute am Bummeln entlang der Strassen oder vor allem Gauchos noch auf der Anreise per Pferd. Die Strasse fuehrt weiterhin durch Feuchtgebiet, und wir sehen mehr Wasser als gestern bei unserem Abstecher. Zwischen Yatay-Palmen, die mehrer Hundert Jahre alt und bis 20m hoch werden koennen, grast Braunvieh. Ackerbau ist eher selten.
Nach dem Mittagessen kreuzen wir den Mercedes LKW-Camper von Silvia und Lothar. Die Zeit, die wir mit ihnen verplaudern, fehlt uns spaeter bei der Einfahrt von Mercedes und wir muessen den Besuch des Shrine's auf den naechsten Tag verschieben. Wir fahren schnurstracks ins Zentrum und da als Erstes zu einer der Tankstellen, da die eben getroffenen Reisenden uns entgegen frueherer Berichte wieder von Diesel-Bezugsschwierigkeiten berichtet haben. Es ist zu unserer Erleichterung kein Problem, alle Dieseltanks zu fuellen und Wasser zu bunkern. 20'000 Einwohner hat dieser Ort, aber nur die wenigstens sind unterwegs. Auch hier st es heute Sonntag aeusserst ruhig in und auf den Strassen. Wir finden uns ein Lokal fuer Bife de Lomo zum Znacht, bleiben dann aber ungemuetlicherweise die einzigen Gaeste.
Was erst nur fuer's Einklinken ins wireless Netz der Shell-Tankstelle am Strassenrand der Avenida Espańa gedacht war, endet schliesslich als auserwaehlter Standplatz fuer die Nacht. Ich kann bequem mein Laptop updaten sowie Mails empfangen und beantworten. Mit der Homepage hinke ich immer noch hoffnungslos hinterher und halte immer noch nichts bereit zum Aufladen.
In Mercedes kommt auch am Montagmorgen keine Hektik auf. Wir spazieren durch das bescheidene Zentrum und um die zentrale Plaza, nach dem Unabhaengigkeitstag Argentinien's 9 de Julio genannt. Der Bau der aussen schmucklosen Iglesia de las Mercedes aus den roetlichen Steinen des lokalen Steinbruchs von Itá Pucú wurde 1881 schon begonnen, aber erst 1923 beendet. Relativ viele einstoeckige alte Kolonialhaeuser sind zwar vorhanden, fuer deren Unterhalt aber eindeutig kein Geld ausgegeben wird oder werden kann. Das dazugehoerende Kopfsteinpflaster allerdings ist verschwunden, die Strassen inzwischen mit Betonschichten saniert. Darueber spazieren auch vereinzelt urchige Gestalten, Gauchos in ihrer typischen Kleidung: eine Hose, im Bund mit vielen abgesteppten Falten und die Beine unten zusammengefasst und in Stiefel gesteckt, eine Breite Binde oder Lederguertel mit Silberschnallen in der Taille, auf dem Kopf das flachgedrueckte grosse Beret aus Filz oder noch oefters gehaekelt.

8km oestlich der Stadt besuchen wir an Ruta 123 den Shrine von Gaucho Antonio Gil. Ueber das ganze Land hinweg trifft man ja entlang der Landstrassen die mit roten Faehnchen markierten kleinen Schreine voller Opfergaben an. Die Robin-Hood-hafte von Legenden umwobene Figur nahm ein traurige Ende, wurde gehaengt und hier ausserhalb Mercedes begraben. Die Waende der der umliegenden Gebaeude der Gedenkstaette sind zugeklastert mit Plaketten, Autonummern und Schildern. Die darauf vermerkten Dankes-Erguessen bezeugen  wundertaetige Ereignisse, die dieser Figur zugeschrieben werden. Bis unters Dach haengen im Sanctuario selbst Kleider, Fahrraeder, Gitarren, Sport- oder Berufsausruestung als Spenden und Dankesgaben. Was immer man sucht, man findet es. Der Russ der roten Kerzen hat die verschiedenen Altare geschwaerzt und die roten Wimpel und Fahnen stehen in lebhaften Kontrast dazu. Diese Gedenkstaette zieht zur Freude der vielen Souvenir-Verkaeufer jaehrlich Zehn- wenn nicht Hunderttausende an und wird am Todestag, dem 8. Januar, geradezu von Besuchern ueberschwemmt.
Wir halten anschliessend suedwaerts weiter auf Ruta 119. Ein Ausweichen auf kleinere Landstrasse beschert uns nach Sauce ueber die Provinzgrenze Corrientes/Entre Rios gar noch ungewollt ein Stueck Naturstrasse, bevor wir bei San José de Feliciano und nach dem Mittagessen wieder auf oft bucklige Teerstrasse gelangen. Wir schaffen's grad noch bis La Paz und finden ausserhalb dieses Ortes mit Muehe neben einer kleinen Feldstrasse zwischen Aeckern und Weiden eine Ecke, in die wir den Camper quetschen koennen.
Nach gut einer Stunde Fahrt muenden wir in Ruta 127 ein und erreichen auf ihr am Dienstag Paraná. Fredy springt eine Reklametafel von Iveco ins Auge und, da er noch ein eine Spurstange, die in der Schweiz nicht einzeln erhaeltlich ist, besorgen moechte, peilen wir sie an. Es handelt sich aber nur um eine Verkaufsstelle und wir gehen hier leer aus, lassen dafuer etwas Geld liegen im Vea-Supermarkt. Viele der Geschaefte an der Almafuerte haben ihre Tore endgueltig geschlossen, denn heutzutage laesst sie eine Umfahrung buchstaeblich links liegen. Diese fuehrt direkt zum 2400m langen Tunnel unter dem Rio Paraná hindurch, der die Provinzhauptstadt von Entre Rios mit ihrer Schwesterstadt ennet des Flusses verbindet. Diese teure, 1969 eingeweihte Loesung wurde gewaehlt, da die Nationalregierung seinerzeit verboten hatte, an dieser Stelle anstatt bisherigen Faehrdienstes eine Bruecke zu bauen.
Santa Fé zaehlt an die 350'000 Einwohnern und gilt mit ihrer Gruendung von 1580 als eine der aeltesten Staedte Argentinien's. Ihr Standort befand sich allerdings urspruenglich in etwa 75km Entfernung direkt am Fluss in Cayasta, musste aber gewechselt werden, da sie dort immer wieder von Indianer-Ueberfaellen einerseits und von jahreszeitlich wiederkehrenden Ueberflutungen andererseits bedroht war. Um die Plaza 25 de Mayo herum spazieren wir einigen der kolonialen Bauten nach wie der jesuitischen Iglesia de la Compańia, der wuchtigen Casa de Gobierno, dem fast unscheinbaren Palacio Legislativo, der verschlossenen Casa de los Aldao und zum Schluss des Convents San Francisco mit seinem Innenhof voller bluehender Pflanzen. Der Bahnverkehr fuer Personen wurde laengst eingestellt, die riesige halbzerfallene Immobilie des einstigen Bahnhofs steht zum Verkauf. Daneben besitzt Santa Fé natuerlich auch ein modernes Stadtzentrum mit einer Fussgaenger-Zone in der Av. San Martín, wo wir zu einigen Kleiderkaeufen fuer unsere baldige Rueckkehr in die europaeische Zivilisation verlockt werden. Und "abgekaempft" von des Tages Unternehmungen, ersparen wir uns die eigene Kueche und verleiben uns wieder mal "Junk Food" bei McDonald ein. Den Uebernachtungsplatz haben wir schon vorher ausgekundschaftet. Wir stehen auf einem der oeffentlichen gebuehrenpflichtigen Parkplaetze an der Plaza San Martín.
Im Viertel Alto Verdo am Ostufer des Rio Santa Fé stehen nicht mehr die einfachen Huetten der Fischer unter den Trauerweiden, die nach jeder Ueberflutung wieder aufgebaut werden mussten. Heute sind es groesstenteils Backstein-Gebaeude, wenn auch von einfachster bis armseliger Bauweise. Wir sind froh, dass wir anstatt mit dem Boot ueber den Fluss mit dem Camper hierher gefahren sind, da ein Rumspazieren, noch dazu mit einem Fotoapparat bewaffnet, hier ganz und gar nicht angebracht scheint, wo viele der Einwohner sich ihr Leben mit Sortieren der in naher Umgebung deponierten Abfaelle verdienen.

Noerdlich dieses Quartiers unweit der alten Haengebruecke stehen wir anschliessend an diesem erneut sonnigsten Nachmittag am Flussufer und lassen es uns wohlsein. Fredy erkundet die zu dieser Jahreszeit nur von Joggern besuchte Playa, waehrend ich zu schreiben versuche. Aber schon nach relativ kurzer Zeit erhalte ich Besuch von Jorge, den Reisen fasziniert und jeweils mit einem Motorrad unterwegs ist. Er taetigt einen Anruf und alarmiert innert kuerzester Zeit eine quirlige Mirna. Ihr Grossvater war urspruenglich Schweizer und sie ist fanatische Verehrerin unseres Land, das sie vor zwei Jahren mit einer Reisegruppe von Auslandschweizern aus San Jéronimo del Norte besucht hat.
Flugs sind wir eingeladen zum Asado in ihrem Zuhause in Santo Tomé und notieren uns die Adresse, die wir nach dem schoenen Sonnenuntergang am Fluss und der Fahrt durch das abendliche Santa Fé dank GPS muehelos auffinden. Inzwischen wurde nicht nur der Grill aufgeheizt, Salat und Nachttisch vorbereitet - Mirna hat sich umgezogen und praesentiert sich stolz in rotem Leibchen mit Schweizerkreuz auf der Brust und ebenso geziertem roten Hut. Ihr Mann sowie ihre beiden Toechter sind vertraut mit ihrer Angefressenheit und tragen es mit Gelassenheit. Wir werden fuerstlich bewirtet und waehrend des Abends mit dem Alltag der Familie vertraut gemacht. Fredy kann sich bei einem Bier entspannen, ich dagegen muss immer auf Draht sein und die Unterhaltung fuer uns beide in Spanisch bestreiten.

Mirna verabschiedet sich von uns wie von lieben alten Bekannten und vergisst gar ein paar Traenen beim Gedanken, dass wir in Kuerze in das fuer sie gelobte Land zurueckkehren werden. Wir verschmaehen die schnellere Autopista und schaukeln gemuetlich ueber Ruta 11 suedwaerts, eigentlich unlogisch vom Sommer in den Fruehling. Die Landschaft sieht aus wie bei uns unmittelbar nach der kalten Periode. Noch ist mangels Feuchtigkeit kein Gruen aus dem Boden geschlossen. Die Ende der letzten Saison abgeernteten Felder liegen noch unbearbeitet mit den Stoppeln der vorgaengigen Ernte und warten auf das Umpfluegen. Die Haeuser der Doerfer und kleinen Staedte scharen sich links und rechts der Hauptstrasse und sind wenig belebt.
San Lorenzo ist industriell gepraegt von Erdoelraffinerien und grossen Tanklagern und dessen Stadtgebiet geht praktisch nahtlos ueber in die Vororte von Rosario. Diese 1,1 Mio. Stadt ist eines der wichtigen Wirtschaftszentren des Landes. Bis hierher ist der Rio Paraná fuer Ozean-Frachter schiffbar, so dass der Export nicht ueber Buenos Aires sondern direkt von hier aus erfolgen kann. Seit der ersten Haelfte des 20. Jht. aufgrund ihrer betraechtlichen Rindfleisch-Ausfuhren mit dem Chicago Mercantile Exchange verbandelt, ist die Stadt aber heute auch bedeutender Sitz der argentinischen Autoindustrie.

Wir erkunden erst mal die Gegend des Balnearios Florida, wo sich am der sandige Stadtstrand mit den vielen Freizeitanlagen befindet. Nur einige Kiter flitzen in ihren Neopren-Anzuegen ueber den Fluss, ansonsten herrscht bei den bescheidenen Temperaturen kein Badebetrieb. Entsprechend ist auch der Camping Municipal beim Parque L. Alem leer, abgesehen davon, dass der Begriff Camping hierzulande nicht mit der Moeglichkeit zum Uebernachten gleichgesetzt werden darf sondern sehr oft sich auf den "day use" - Gebrauch tagsueber -beschraenkt. Wir klappern einige Uferstreifen ab, die jedoch - da entweder weil Hafengebiet hermetisch abgeriegelt oder aber mit nicht mehr genutzten Anlagen und leerstehenden Hallen abseits oder gar von Hobos besiedelt - fuer eine Uebernachtung zu ungemuetlich sind. Deshalb stehen wir schliesslich einfach am Strassenrand in der De Rosas Juan M., was den Vorteil hat, dass wir bequem noch zur nahen Zona Peatonal in der Av. Cordoba ausschwaermen koennen.
So ruhig wie erhofft war unser Standplatz dieser Nacht dann nicht. Erst quaelte sich steter Feierabendverkehr an uns vorbei und nachher, je spaeter die Stunde und weniger der Fahrzeuge, desto schneller bretterten sie ueber das Kopfsteinpflaster. Zum Glueck sind wir gesunde Schlaefer und liessen uns davon nicht gross beeintraechtigen.
Den Morgen verbringen wir nochmals in der Fussgaengerzone und klappern auch die etwas weniger belebte der Av. San Martin ab. Fredy ersteht ein paar lederne Schuhe. Erstaunlicherweise werden, obwohl wir uns im Land der Rindviecher befinden, im Generellen weitaus mehr synthetische und daher billigere Modelle angeboten. Im Angebot der Damenschuhe wird es noch schwieriger, ein Allwetter-Modell zu finden. Schluepfer und Schlapfen in allen Regenbogen-Farben sowie Stoeckelschuhe mit Bleistift-Absaetzen so duenn und hoch und vorne extrem spitz zulaufend, dass sie einem schon beim blossen Ansehen schmerzen, sind die Renner. In der kuehleren Saison traegt frau hier halbhohe knautschige Stiefel mit allerdings duennsten Sohlen - auch kein Hit fuer unser schweizerisches Klima.
Guter Umsatz scheint hier mit Sportbekleidung und Turnschuhen klingender Namen erzielt zu werden. Die Preise sind so saftig, dass man eigentlich original Nike, Adidas, Reebook usw. erwarten duerfte, ab nie sicher ist, ob man nicht doch nur eine kostspielige Kopie in Zukunft spazieren fuehrt. Jeder zweite Laden verkauft Kleider - in Anbetracht des bevorstehenden Fruehlings in sommerlich, meistknallig bunter Ausfuehrung, made in China vorherrschend. Grosse Beherrschung, die Kauf-Versuchung in Grenze zu halten ist fuer Schweizer Buenzli wie uns ist nicht vonnoeten.
Die grosse Sehenswuerdigkeit von Rosario ist das Monumente Nacional a la Bandera, das den Rio Paraná ueberblickt. Die Municipalidad bezeichnetet einerseits den Paseo Siglo und man kann anhand der angebrachten Tafeln Details ueber die noch vorhandenen Kolonialhaeusern entnehmen, welche leider heute meist von moderneren und teilweise sehr haesslichen neuere Bauten eingeklemmt werden. Andererseits geht die Stadtverwaltung durchaus mit der Zeit und auf vielen Plaetzen und entlang groesserer Calles findet man die senfgelben Tafeln, die unentgeltlichen Internet-Zugang via Wifi verkuenden.

Beim gemuetlich Erledigen unsere Mails bei Café con Leche in einem Tankstellen-Shop werden wir von der Mitteilung des Reiseagenten ueberrascht, dass sich die Abfahrt der "Grande San Paolo" nochmals und bis mindestens 28. September hinausverzoegern wird. Noch vor Bueroschluss in Buenos Aires haengen wir am Draht und erkundigen uns bei Mrs Inés von Turner, ob eventuell die Moeglichkeit einer Umbuchung auf ein frueheres Schiff besteht. Sie wird sich bei Grimaldi erkundigen, ob auf der "Republica Argentina" eventuell noch Platz vorhanden ist. Allerdings sollte dieses Schiff bereits am kommenden Freitag, 12.9. auslaufen, was unsere ganzen restlichen Reiseplaene ueber den Haufen werfen wuerde. Wir ueberschlafen diese Mitteilung in einer Seitenstrasse im oberen Quartier von Florida, wo wir vom immer wieder neu angezettelten und weitergetragenen Bellen der unzaehligen Hunde, so etwa einer pro Haus, in den Schlaf geklaefft werden.

Wir verlassen Rosario am Samstag-Morgen ueber die moderne Haengebruecke und bleiben auch nach der eigentlichen Ueberwindung des Flusses Paraná, der die Grenze zwischen den Provinzen Santa Fé und Entre Rios bildet, auf erhoehtem Fahrdamm durch Feuchtgebiet mit teilweise kuenstlich angelegten Entlastungs-Kanaelen und -Becken. In Victoria dann schwenken wir entgegen vorgaengiger Plaene suedwaerts auf Ruta 11 ein. Waehrend der Fahrt durch die weiten Ebenen mit noch unbestellten Feldern und kaum Ortschaften hirnen wir staendig darueber nach, ob wir gegebenenfalls wirklich schon mit dem frueheren Boot Suedamerika verlassen sollen und waegen nochmals Vor- und Nachteile gegeneinander ab. Den ganzen Morgen schon mit bedecktem Himmel reisend rollen wir ab Ceibas durch Nieselregen. Eine weitere Haengebruecke bringt uns erneut ueber den Rio Paraná in die Provinz Buenos Aires und an Zarate vorbei in immer staerker werdenden Regen.
Die Haupststadt Buenos Aires begruesst uns mit denselben schlechten Wetterbedingungen, wie als wir sie vor elf Monaten verlassen haben. Koordinaten moeglicher Standplaetze haben wir ueber laengere Zeit gesammelt und entscheiden aufgrund der Auswahl, uns im Quartier Puerto Madero in der Nachbarschaft des modernen Hilton Hotels am Blvd Macacha Güemes niederzulassen, wo uns gegenueber ein Neubau von Polizei auch waehrend der ganzen Nacht bewacht und dadurch zusaetzliche Sicherheit vermittelt wird.
Wir machen uns um 9.ooh auf die Socken, und das im wahrsten Sinne. Wir bewundern die massive Drehbruecke zwischen Dique 3 und 4 und noch viel mehr die elegante Ausfuehrung einer modernen Fussgaenger-Ueberfuehrung ueber Dique 3, welche ebenfalls bei Durchfahrt von Schiffen gedreht werden kann. 1987 hat Stadt und Turismo Buenos Aires die alten ungenutzten Hafenkraene pittoresk mit kraeftigen Farben verschoenert und die bis zu diesem Zeitpunkt vergammelten Lagerschuppen auf der Stadtseite herausgeputzt. Darin untergebracht sind heute Bueros, nicht billige Verkaufsgeschaefte und vor allem Restaurants. Das neu entstandene schicke Viertel Puerto Madera wird nun mit Errichtung moderner Bauten in Glas und Stahl auf der Seite zum Rio del la Plata hin vervollstaendigt.

An der Alsina stehen einige koloniale Bauten, allen voran die Iglesia de San Francisco und die Jesuitenkirche San Ignacio de Loyola. Unter Verwendung modernster Analysemoeglichkeiten der Bausubstanz wird letztere aufwendig renoviert. Der Haupt- und einer der grossen Seiten-Altare unter der Kuppel erstrahlen bereits in neuer Pracht und sind unuebersehbar wieder von den zwischenzeitlich verdeckenden traurig beige-braunen Deckschichten befreit in die original kraeftigen blau-tuerkis und roten Farben zurueckverwandelt worden.
Dann folgen wir der Defensa, heute bis zur Plaza Dorrego Schauplatz des sonntaeglichen Flohmarktes des San Telmo-Viertels. Am Strassenrand wird neben kunsthandhandwerklichen Arbeiten auch Kitsch aller Art angeboten, daneben aber viel alte Silberwaren, Schmuck, Besteck, Kelche und Kruege sowie antiquarische Haushalt- und Dekor-Gegenstaende. Die alten Siphon-Flaschen aus eingefaerbtem Glas sind der Verkaufsschlager und fuellen reihenweise die Staende. Kleider, Taschen, Schuhe, aus der Mode gekommene Pelzjacken, Stolas, man nenne und finde es im Angebot. Und erst die Antiquitaeten-Geschaefte! Sie scheinen vor lauter Kristall-Luester, Lampen, Geschirr und Kleinmoebeln aus vergangenen Zeiten aus allen Naehten zu platzen, und ein Kenner koennte sicher manch ein Schnaeppchen machen.
Wir essen eine Parilla im Primo Humberto und erhalten als Beilage gerade noch eine Tango-Show serviert. Wir latschen danach eine betraechtliche Distanz durch den Parque Lezama und die Almirante Brown. In einiger Distanz sehen wir die blau-gelbe Bonbonera (Pralinenschachtel), wie das Stadion des Fussballclubs Boca Juniors genannt wird, mit ihren steilen Tribuenen, bis wir schiesslich beim Stadtwahrzeichen, der Ueberreste der alten Stahlbruecke, an der Vuelta de Rocha mit den einstigen, heute halbzerfallenen Hafenanlagen ankommen. Einige alte Schiffswracks duempeln an eingefallenen Piers. Das Wasser dieses abgeschotteten Beckens an der Muendung des Flusses Riachuelo, der einer der schmutzigsten ueberhaupt sein soll, stinkt zum Himmel.

Aber wir wenden unsere Aufmerksamkeit sowieso der Umgebung von El Camenito zu mit den beruehmten originellen Haeusern, nur wenige noch an der Zahl. Im 19. Jht. siedelten sich in diesem La Boca-Quartier arme Einwanderer an, vor allem Italiener, die dazumals ihre Haeuser der Not gehorchend aus dem vorhandenen Material, naemlich demontierten Schiffsblechen bauten und sie zur Verschoenerung bunt und dick mit Schiffslack ueberstrichen. Auch hier befinden wir uns in vielfacher Gesellschaft und inmitten von Verkaufsstaenden, erstaunlich vielen Saengern, Musikgruppen und gar Tango-Taenzerpaaren auf offener Strasse. Es sind, wie schon auf dem letzten Strassenmarkt, bei weitem nicht nur auslaendische Touristen sondern auch viele Einheimische unterwegs, die hier spazieren und die Restaurants fuellen.
Katzenfiguren und ein toenernes Tango-Paar fuellen inzwischen unsere Taschen. Die Fuesse machen sich langsam immer staerker bemerkbar. Also werfen wir P. 0.90 pro Person auf und borden Bus Nr. 29, der uns fast direkt "nach Hause" zum Camper an die Macacha Güemes bringt.
Am Montag-Morgen fuehrt natuerlich unser erster Gang zum Turner Gebaeude, wo wir Mrs. Inés aufsuchen. Wir koennen sie ueberreden, nicht nur einfach auf ein Mail von Grimaldi aus Italien zu warten, sondern dort anzurufen nd am Dienstag ist es entschieden und unsere Verschiffung umgebucht. Wir werden anstatt auf der um mind. 10 Tage verspaeteten "Grande San Paolo" auf der "Republica Argentina" zurueckreisen. Diese soll um am kommenden Wochendehier in Buenos Aires eintreffen und spaetestens am Montag, 15.9. wieder auslaufen. Einen weiteren Vorteil, naemlich dass die Aussenkabinen auf diesem Schiff um je EUR. 432.- guenstiger sind, akzeptieren wir nur zu gerne, belaufen sich die Gesamtkosten doch die Gesamtkosten fuer die 22-taegige Ueberfahrt immer noch auf gut EUR 4'700.-.
Die Tage bis zu unserer Ausreise verfliegen im Nu. Wir widmen wir unsere Aufmerksamkeit weiterhin auf die Sehenswuerdigkeiten der argentinischen Kapitale.
Wir klappern die Innenstadt, Microcentro genannt, bei mehrheitlich sonnigem Wetter auf den empfohlenen Rundgaengen ab. Wir verweilen beim einst umstrittenen Obelisco an der ovalen Plaza de la Republica in der Mitte der breiten, 16-spurigen Av. 9 de Julio. Aber hauptsaechlich interessieren uns die vielen interessanten Gebaeude aus vergangenen Zeiten, von denen es hier eine Unmenge gibt. Wir schauen in die Catedral Metropolitana rein, spazieren an der auffaelligen Casa Rosada vorbei, koennen einem Besuch des traditionellen Café Tortoni nicht widerstehen und folgen anschliessend der Av. de Mayo bis zur Plaza de Congreso mit dem imposanten Senatsgebauede, hinter dem schon langsam die Sonne versinkt. Einer der Linien der Subte (Einheitspreis pro Einsteigen = P. 0.90 pro Kopf) fuehrt praktischerweise nahe an die heimatliche Gefilde unweit der vier Diques.

Um den Torre Ingrese und das IslaMalvinas-Memorial bei der Plaza San Martín herum kann man Ausuebende eines begehrten bequemen Jobs beobachten. In grossen, abgetrennten Ovalen luemmeln sich vor allem junge Maenner auf den Baenken herum. Um sie herum tummeln sich in diesem Gehege Dutzende von Hunden aller Groessen, Farben und Rassen - es sind die die beruehmten Hunde-Sitter von Buenos Aires, denen man auch unterwegs die Haende voller Leinen und die Aufmerksamkeit ausgelastet von bis zu zehn zerrenden, oft klaeffenden Koetern.
Wir erkunden das Mittelstands-Quartier Palermo Viejo. Wir fahren dazu mit dem gleich teueren Bus zur Plaza Italia, spazieren dann durch die Strassen ohne grosse Highlights zu erleben. Suedlich der Av. de la Libertador liegt der bekannte Friedhof von Recoleta voller Grabmaeler wie eine Stadt fuer sich. Besucht wird er vor allem wegen des Familiengrabs der Familie Duarte, in welcher die im Alter von 32 Jahren an Leukaemie verstorbene Eva Péron, verehrte Ehefrau des einstigen Praesidenten Juan Péron, beigesetzt ist. Ueber ihr Leben und ihr Einsatz fuer die einfache Volksschicht erfahren wir mehr im nahen Museo Evita. In den ausgedehnte Gruenflaechen der Umgebung befindet sich neben verschiedener Sport- und Freizeit-Cubs der zoologische Garten, verschiedenste Museen, das grosse Hippodromo, das Planetario und als Gegensatz zu den kolonialen Bauten und Denkmaelern die kuenstliche Floralis Genérica, deren riesige metallene Bluetenblaetter sich fuer die Nacht schliessen.

An eben diesem Abend, wir wollen uns schon im Camper zum Nachtessen hinsetzen, durchfaehrt es mich wie ein Blitz, dass ich mein Natel beim Ausraeumen der Tasche nicht gesehen habe. Sofort durchforste ich sie nochmals und bin danach ueberzeugt, dass ich das Haendy am Vormittag beim Kaffeetrinken auf dem Tisch liegengelassen haben muss. Ich habe nicht den Nerv, in Ruhe zu essen, sondern mache mich sofort per Taxi auf, um im entsprechenden Lokal nachzufragen, ob es gefunden und eventuell abgegeben worden sei. Waehrend ich auf der Hinfahrt mich ueber mich selbst aergere, ueberlege, dass ich es kaum ausgeschaltet habe und jedermann nun nach Lust und Laune auf unsere Kosten telefonieren koennte solange der Akku haelt, faellt es mir wie Schuppen von den Augen. Ganz automatisch hatte ich das Natel bei der Rueckkehr ins Auto ja in der Fuehrerkabine zum Laden eingesteckt und es sich deshalb nicht in der Fototasche befunden. Ganz erloest heisse ich den Taxichauffeur kurz vor dem genannten Ziel wieder umkehren, dem mein Anfall von Senilitaet ganz sicher nichts ausmacht sondern einfach einen Teil seines Tagesverdiensts sichert.

Am Donnerstag machen wir eine Versorgungs- und zugleich Plausch-Ausfahrt mit dem Camper. Wir muessen einerseits den Abwassertank leeren, Frischwasser am Gruenstreifen nachfuellen und zugleich die Tanks in Argentinien ein letztes Mal komplett mit guenstigem Diesel auffuellen. Bei dieser Gelegenheit wollen wir auch gerade noch Belgrano, dessen Besuch ebenfalls empfohlen wird, durchfahren. Fuer die Besorgung von einem Holzdeckel und Schrauben zur Sicherung der Dachluke verweist man uns zu Easy, wo wir praktischerweise auf dem Dach des Einkaufscenters parken und nicht nur noch ein paar Frischwaren fuer die letzten Tage bis zur Abfahrt posten sondern auch gleich in der Sonne und in Ruhe im Camper mittagessen koennen.
Inzwischen sind wir eine ganze Gruppe von Campern, die innerhalb weniger Hundert Metern entweder an der Macacha Güemes und an der Av. Int. Carlos M.Noel/Av. de los Italianos residieren: Zwei franzoesischen Camper, einer mit André+Catherine mit ihren Kindern seit 5 Jahren, zuletzt in Afrika unterwegs; die Deutschen Erika+Peter, die wir schon aus 2007-Montevideo und spaeter 2008-Cusco kennen und Partner beim Besuch feinen italienischen Restaurants direkt am Dique 2; die neu mit dem letzten Grimaldi-Schiff eingereiste Ulmer Andrea+Guido.
Wir koennen uns zum Teil nicht mal mehr von ihnen verabschieden, denn gegen Mittag am Freitag klingelt mein Handy ohne Anzeige einer Telefonnummer. Der Anruf wiederholt sich um 13.ooh. Nicht falsch verbunden wie vermutet, sondern eine nervoese Mrs. Inés haengt an der Strippe und teilt uns nunmehr erleichtert mit, dass wir entgegen des frueheren Bescheids nicht erst am Montag, sondern sofort in den Hafen dislozieren muessten, um noch vor dem Wochenende, an dem der Zoll normalerweise geschlossen bleibt, die vorgeschriebenen Formalitaeten zu erledigen.
Um 13.30h begleitet uns Pablo Orsini in den Hafen Rio de la Plata und wedelt uns an den verschiedenen Stationen mit den vorbereiteten Papieren vorbei. Schliesslich endet unsere Fahrt bei Zollgebaeuden, wo bald eine rundliche Beamtin angekeucht kommt. Hoeflich lassen wir unseren Einstieg - oder besser gesagt, was davon noch uebrig ist nach unserer Suedamerika-Fahrt, naemlich die eine und einzige Stufe - runter. Diese ist aber ebenso wie der Tritt vorne links beim Fahrersitz ausser Reichweite der kurzatmigen Dame, die sich in der Folge mit je einem Blick jeweils von aussen und einem Augenschein des aeusseren Stauraums begnuegt. Dann wird uns ein Abstellplatz neben dem Kontrollgate zugewiesen.
Gemaess einer zuvor bei Turner unterschriebenen Vereinbarung duerfen wir aufgrund eines speziell ausgehandelten Gefallens bis zur Verladung uns zum Schlafen, aber offiziell nicht tagsueber (was allerdings nicht genau ueberprueft wird) im Camper aufhalten. Ganz besonders aber betont diese Abmachung, dass man auf keinen Fall im Hafen herumlatschen darf, was durchaus interessant waere.

Wir haben inzwischen keine grosse Lust mehr auf Sightseeing. Deshalb besuchen wir bei den Ausfluegen aus dem Hafen das Shopping Center Galerías Pacifico und machen zudem einen Bummel durch die Peatonales in der Florida und Valle. Wir sind fuendig geworden und werden als Souvenir je eine Lederjacke ins herbstliche Europa mitbringen. Fredy ersteht ein schwarzes Stueck mit warmem Innenfutter waehrend ich neu Besitzerin einer feuerroten Lederjacke werde. Daneben geniessen wir die letzten sonnigen Tag und die quirliege Atmosphaere der argentinischen Hauptstadt, von der wir uns in Kuerze verabschieden werden.Wir vertreiben uns weiter die Zeit in einem der hier in B.A. enttaeuschend schlecht ausgestatteten Internet-Cafés, um unsere Mails zu beantworten und die an unserem Aufenthalt interessierte Menschheit ueber unsere bevorstehende baldige Abreise zu informieren.
Sonntag, 14. September. Das mir verhasste Packen der Reisetaschen laesst sich nicht weiter aufschieben. Kleider brauchen wir in Sommerversion fuer die waermeren Gefilde bis nach Dakar und auf Hoehe der Kanarischen Inseln. Danach wird vermutlich waerme Kleidung entlang der Kueste des herbstlichen Europa gefragt sein. Ein grosser Teil des Gepaecks macht diesmal neben der elektronische Ausruestung samt x-Adaptern, Steckern und Ladekabeln reichicher Lesestoff aus.
Zwar will der Kontrolleur des Zolls unser Schiff erst nachts um 23.ooh einlaufen haben, was uns nochmals einen Stadtausflug verschaffen wuerde. Zum Glueck rueckversichern wir uns bei Pablo Orsini, der anderweitigen Bescheid hat. Und wirklich schiebt sich wie von ihm vorausgesagt nach 15.00h die "Republica Argentina" in den Hafen. Wir erhalten die Order, laengseits des bald vertaeuten Roro-Schiffs zu parken und auf den Einschiffungsbefehl zu warten waehrend er sich erst muss er sich um die neuen elf Ankoemmlinge kuemmern muss, die hier im Hafen - was bei unsern argentinischen Grenzuebertritten nie verlangt wurde - detailliert ihre elektronische Ausruestung deklarieren muessen.
Erst sitzen wir mit Sack und Pack wie bestellt und nicht abgeholt auf dem Pier bis wir auf Nachfrage hin die Erlaubnis behalten, unsere Kabinen auf dem 8. Deck zu beziehen. Der Filippino, der uns den Weg zeigt und pflichtbewusst eines unserer Gepaeckstuecke tragen will, bereut seine Hilfsbereitschaft umgehend, denn die mit Buechern fuer die lange Ueberfahrt gefuellte Reisetasche zieht ihn fast zu Boden. Noch vor dem Nachtessen wird Fredy dann gerufen, um den Camper ebenfalls an Bord aufs 3. Deck zu fahren, wo er neben Lastwagen, Hubschrauber und anderen Gefaehrten am Boden festgezurrt wird.
Wir machen uns mit den Gegebenheiten an Bord vertraut, verfolgen den Ent- und Auflade-Vorgang ueber die Rampe und tun unser Bestes, den geschaeftig hin und her eilenden Seeleuten nicht im Weg zu stehen bis wir schliesslich - geschafft von nichts weiter als der gespannten Erwartung - in der Kabine in die Betten sinken und in unserer letzten Nacht in Buenos Aires wie Steine schlafen, damit wir morgens frueh zum geplanten Auslaufen aus dem Hafen von Buenos Aires fit sind.
 
Weitere Fotos: siehe
Galerie / Argentinien IV - Nr. 6749-7088

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